zum Hauptinhalt

Henning Scherf: Rückzug des Chefs

Bremens Regierungschef Henning Scherf (SPD) hat seinen Rücktritt angekündigt. Wann er sich aus der Politik zurückzieht, ist noch offen - ein Nachfolger ist noch nicht gefunden.

Bremen (28.09.2005, 21:45 Uhr) - Doch Scherfs Entschluss steht fest: «Ich möchte ein Leben nach der Arbeit führen und nicht mit den Füßen voran aus dem Rathaus getragen werden», sagte er am Mittwochabend zur Überraschung einiger Genossen auf einem Landesparteitag.

Scherf gehört seit 1978 der Bremer Landesregierung an und ist damit das dienstälteste Kabinettsmitglied der ganzen Republik. 1995 avancierte er zum Regierungschef und führt seitdem ein SPD/CDU- Bündnis. In dieser großen Koalition, die Teile seiner Partei ablehnen, ist Scherf ein Eckpfeiler. Er hält die massiven Probleme seines hoch verschuldeten Landes in keiner anderen Konstellation für lösbar.

Scherf wollte eigentlich schon mit dem Ende der vergangenen Wahlperiode im Frühjahr 2003 von der politischen Bühne abtreten. Doch dann ließ sich der weit über seine Partei hinaus populäre Sozialdemokrat in die Pflicht nehmen. «Alle haben mich gebeten: Bitte mache weiter und halte dieses Land zusammen. Und nun mache ich's», sagte er damals. Bei der Landtagswahl am 25. Mai 2003 fuhr er einen fulminanten Sieg ein. Dennoch suchte er weiter nach einem Ausstieg: «Ich muss einen geeigneten Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode finden», sagte er bereits vor zwei Jahren und visierte das Jahr 2005 an.

Bereits 1971 wurde Politik für den studierten Juristen das, was sie gar nicht werden sollte: zum Beruf. Denn bis heute erzählt er gern in Interviews: «Ich wollte nie Berufspolitiker werden.» Scherf zog als Abgeordneter in die Bürgerschaft ein. Ein halbes Jahr später wurde er SPD-Landesvorsitzender. 1978 trat er in die Regierung ein, war zunächst für Finanzen, später für Soziales, Bildung und Justiz verantwortlich.

Scherf wird von manchen auch «Oma-Knutscher» genannt, weil kaum jemand - besonders nicht ältere Frauen - seiner Umarmung entkommt. «Er gewinnt die Menschen durch Herzlichkeit», sagt sein langjähriger Partner an der Spitze des Senats und jetziger CDU-Fraktionsvorsitzender Hartmut Perschau. Dies könne sich aber schnell ändern, wenn jemand ihn am Durchsetzen seiner Ziele hindern will. «Dann versucht er mitunter zunächst, mit überdurchschnittlicher Aggressivität den Widerstand beiseite zu schieben.»

Zum gerne kolportierten Stil des Zwei-Meter-Mannes gehört auch, dass er in der Regel heißes Wasser trinkt, auf eine gepanzerte Dienstlimousine ebenso verzichtet wie auf Leibwächter, stattdessen oft mit seinem Fahrrad durch die Stadt fährt, Besucher manchmal eigenhändig durchs Rathaus führt und in einer Wohngemeinschaft lebt. (tso/dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false