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Politik: Herz-Jesu-Riester - Nach der Wahl in NRW kommt ein Renten-Kompromiss - oder einer geht in Rente (Kommentar)

Es ist so eine Sache mit Seiteneinsteigern in der Politik. Nicht jeder schafft den Übergang so gut wie Werner Müller, der sich vom Manager und nebenamtlichen Berater Gerhard Schröders zum überzeugenden Wirtschaftsminister gemausert hat.

Es ist so eine Sache mit Seiteneinsteigern in der Politik. Nicht jeder schafft den Übergang so gut wie Werner Müller, der sich vom Manager und nebenamtlichen Berater Gerhard Schröders zum überzeugenden Wirtschaftsminister gemausert hat. Aber was hat er schon zu tun, außer dort gut Wetter zu machen, wo nach dem Wort eines Amtsvorgängers Wirtschaftpolitik gemacht wird - in der Wirtschaft? Walter Riester hat es schwerer: Er verantwortet den größten Ausgabenbrocken im Bundeshaushalt und ist zuständig für einen Wust von Regelungen, die dem Schutz der Schwachen dienen sollen, aber reformiert gehören, soll der Sozialstaat nicht an den eigenen Wucherungen ersticken.

Außerdem ist der Arbeits- und Sozialminister für etwas noch Wichtigeres zuständig: fürs Herz. Klar, auch der Regierungschef, auch die Kabinettskollegen müssen seriös und glaubwürdig sein. Aber vom Sozialminister wird mehr verlangt. Er muss der Mehrheit der Menschen zeigen, dass es gerecht zugeht im Land. "Herz-Jesu-Marxisten" sind seine christdemokratischen Vorgänger genannt worden. So lange der Sozialstaat aus dem Vollen schöpfen konnte, war das kein Problem. Vorgänger Norbert Blüm aber wurde zur Karikatur seiner selbst, weil Reformnotwendigkeit und Beschwichtigungsrhetorik auseinander klafften. Jetzt also Riester. In der IG Metall, wo er herkommt, oblag ihm die Rolle des Reformers. Fürs Herz ist Klaus Zwickel zuständig, der Vorsitzende der Gewerkschaft.

Als Arbeitsminister schwankt Riester zwischen beiden Polen. Doch das ist nicht nur seine Schuld. Zum Beispiel Green Card. Bundeskanzler Schröder ist es, der Riester zu seinem bürokratischen Vorgehen zwingt, indem er darauf besteht, dass Computer-Inder eine befristete Ausnahme bleiben sollen. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn möchte, dass die Spitzen-Helfer ordentliche Examen vorweisen. Und die Bundesanstalt für Arbeit redet auch noch mit. Da einen mittleren Wurf zu tun, bedürfte es eines Politikers, der mit allen Wassern gewaschen ist: der die Gegner ausbremst, Verbündete sammelt und auch noch öffentlich auf die Pauke hauen kann. Die Sache Riesters, des Denkers und Rechners, des eher vorsichtigen Argumentierers ist das nicht. Also bessert er nach.

Aber was ist die Debatte um die Green Card gegen das Reformthema Nr. 1, gegen die Rente. Auch da sitzt der Sozialminister zwischen Baum und Borke. Seine Partei bestand darauf, den "demografischen Faktor" der Vorgängerregierung aufzuheben. Dennoch muss der Entwicklung Rechnung getragen werden, dass immer weniger Beschäftigte immer mehr Rentner finanzieren. Riester hatte die Idee einer obligatorischen Zusatzversicherung. Die hätte unter anderem den Charme, die Nettoeinkommen zu senken, an denen sich die Renten orientieren. Eine gute Idee, aber zu trickreich eingefädelt. Wie von einem Tarifpolitiker. Riester vergaß die öffentliche Vertrauenswerbung.

Und er hatte Pech. Die Unionsparteien waren durch ihren Skandal kaum geschäftsfähig, die überparteilichen Rentengespräche dümpelten. Jetzt hat der Arbeitsminister einen starken Partner gefunden. Mit Horst Seehofer, der Sozialpolitik bei Blüm gelernt hat, bereitet er jenseits des öffentlichen Streits einen Kompromiss vor, wie er in der Rentenpolitik unter den großen Volksparteien stets üblich war. Wie gut er verhandelt, wird sich nach der Wahl in NRW weisen. Dann steht eine Einigung an. Dann muss Riester Vertrauen schaffen und aufpassen, dass Seehofer ihm nicht die Schau stiehlt. Das darf höchstens der Kanzler. Und dann ist bald die Hälfte der Wahlperiode vorbei - die klassische Gelegenheit zur Kabinettsumbildung.

Thomas Kröter

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