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Hessen: Auf ins Abenteuer

Hessens SPD begrüßt die Signale der Linkspartei zu Rot-Grün – obwohl damit kein Problem gelöst ist. Richtig mitregieren will die Linke nämlich gar nicht.

Berlin - Es hat zweifellos Sozialdemokraten in Berlin gegeben, die sich vom Landesparteitag der Linken in Hessen an diesem Wochenende in Lollar bei Gießen eindeutigere Signale für die Regierungspläne von Andrea Ypsilanti erhofft hatten. Unerfüllbare inhaltliche Forderungen etwa für die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung. Oder einen Mehrheitsbeschluss, den hessischen Sozialdemokraten Jürgen Walter in einem Kabinett Ypsilanti nicht zu dulden.

Solche Zeichen der Verantwortungslosigkeit hätten den Warnungen der SPD-Führung an Ypsilanti, die Risiken des geplanten Bündnisses in Hessen nicht zu unterschätzen, Rückenwind geben können.

Doch Lollar war in dieser Hinsicht wenig hilfreich. Weshalb ein Vorstandsmitglied der SPD am Sonntag sagte, man sei nach dem Parteitag so klug wie zuvor. Will heißen, die Sorge davor, dass Andrea Ypsilanti im Spätherbst von den Linken zur hessischen Regierungschefin gewählt wird und sich danach von den Tolerierenden an der Nase herumführen lässt, ist nicht geringer geworden. Genauso wenig, wie das Risiko für den anderen möglichen Fall: Ypsilanti fällt bei der Wahl zur Ministerpräsidentin durch.

Die hessische SPD selbst hat den Parteitag der Linken in Lollar als „Signal der Mitverantwortung“ gewertet: „Die Chancen für einen echten Politikwechsel steigen“, sagte der SPD-Generalsekretär Norbert Schmitt. In Bildungs-, Sozial- und Energiepolitik gebe es Übereinstimmungen. Und auch in Sachen Verlässlichkeit fühle man sich nun bestärkt. Für die Unterstützung einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Führung von Andrea Ypsilanti seien „keine Hürden aufgebaut“, sagte Schmitt.

Aus Berliner Sicht ist das Risiko jedoch nach wie vor unkalkulierbar. Auch, wenn Ypsilantis Berater aus der Berliner Bundestagsfraktion, Hermann Scheer, nach eineinhalb Tagen Linken-Parteitag zu Protokoll gab, Lollar habe gezeigt, dass die Linke „doch nicht so ein Chaotenhaufen ist, als der sie oft beschrieben wird“ – eine Mehrheitsmeinung in der SPD-Fraktion vertritt Scheer damit nicht. Zu groß ist die Angst, dass nicht nur die Regierungsbildung an sich, sondern vielmehr die folgenden politischen Auseinandersetzungen des kommenden Jahres der gesamten SPD im Bundestagswahlkampf schweren Schaden zufügen.

Deshalb wird Ypsilanti inzwischen von Spitzengenossen sogar der Rat erteilt, wenn schon, dann in einer festen rot-rot-grünen Koalition mit der Linken zu regieren. Diese Idee speist sich aus der Hoffnung, dass sich die Linken dann nicht mit Populismus aus der Verantwortung stehlen könnten. – Oder als Weg in ein Ausstiegsszenario aus der diskutierten Zusammenarbeit von SPD und Linkspartei; denn bei der Mehrheit der Linkspartei ist eine feste Regierungsbeteiligung gar nicht erwünscht.

Dass der hessische Herbst zur ernst zu nehmenden Belastung der großen Koalition in Berlin werden könnte, wie die beiden CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff und Peter Müller meinen, das glaubt man in der SPD-Führung nun aber auch wieder nicht. Wenn sich Ypsilanti mit den Stimmen „der Kommunisten“ zur Chefin einer rot-grünen Minderheitsregierung wählen lasse, könne er sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Großen Koalition nicht mehr vorstellen, hatte Wulff der „Bild am Sonntag“ gesagt. Kein Mensch glaube der SPD dann noch, dass sie es im Bund nicht auch mit den Kommunisten machen würde. Schon jetzt sei die SPD häufig kein verlässlicher Partner mehr und es gebe in der Partei ein Machtvakuum, das niemand zu füllen vermöge. Welcher der beiden Partner – SPD und Union – sollte aber an einem vorzeitigen Zerbrechen des Bündnisses kurz vor der Bundestagswahl Interesse haben? Schließlich ist die Anzahl der gemeinsamen inhaltlichen Projekte, die in den kommenden Monaten noch auf dem Plan stehen, ohnehin begrenzt. Dann ist Bundestagswahlkampf.

SPD-Vize Frank-Walter Steinmeier bekräftigte in Brandenburg einmal mehr: „Die Linkspartei darf und wird für uns auf Bundesebene kein Koalitionspartner sein.“ Mit einer Partei, die gegen Nato und EU-Vertrag sei, dürfe es auf dieser Ebene keine Zusammenarbeit geben.

Antje Sirleschtov

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