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Hessen: Nahkampf und linke Agitation im Zeltlager

Theorie und handfeste Praxis: Autonome übten in einem geheimen Camp für Konflikte mit Nazis und Polizei. Sicherheitskreise sind beunruhigt - auch in Hinblick auf die zu erwartenden Proteste zum Klimagipfel in Kopenhagen.

Von Frank Jansen

Mit wachsender Sorge blicken die Sicherheitsbehörden auf den Konflikt zwischen Rechten und Linken. Immer öfter gehen Neonazis und Autonome aufeinander los, 2008 registrierte die Polizei bundesweit allein 358 gewaltsame Attacken von Rechtsextremisten auf Linke. In weiteren 342 Fällen griffen Linksextremisten Rechte an, oder zumindest Leute, die sie dafür hielten. Sicherheitsexperten befürchten, dass die Konfrontation weiter eskaliert. Jedenfalls bereiten sich offenbar beide Seiten darauf vor. Doch das, was sich im Sommer in Hessen abgespielt hat, war selbst für lang gediente Fachleute eine Überraschung.

In einem Wald- und Wiesengelände im Vogelsbergkreis, nahe der Kleinstadt Homberg (Ohm), versammelten sich vom 19. bis zum 23. August etwa 100 hessische Autonome – ein Viertel der gewaltbereiten Linksextremisten in Hessen. Harter Kern waren Frankfurter Autonome. Die Männer und Frauen errichteten auf dem Areal, das einer Pfadfindergruppe gehört, ein Zeltlager und schirmten es mit großen Planen ab. Patrouillen waren unterwegs, um das Lager vor Polizei und Neonazis zu sichern. Es kamen aber nur Spaziergänger vorbei, die sich offenbar nichts dachten. Doch im Camp ging es zur Sache, in Theorie und handfester Praxis.

Mit Tonfas und anderen Schlagstöcken wurde Nahkampf geübt. Die Autonomen wandten Angriffs- und Verteidigungstechniken an, gegen die Judo nahezu kindlich wirkt.

Neben Schlafzelten war eine Art Zirkuszelt aufgebaut. Hier stand Agitation auf dem Programm. Die Linken debattierten über Antinationalismus, Antiglobalisierung, Antisexismus und Antirepression, außerdem wurden hessische „Nazi-Strukturen“ seziert. Zwischen Kampftraining und Agitprop gab es veganes Essen aus der „Volxküche“ .

Nach den fünf Tagen endete das konspirative Camp, als sei nichts geschehen. Es gab keine Nachbereitung auf linken Websites, keine Diskussionsveranstaltungen, nichts. Das Treffen sollte geheim bleiben.

Experten befürchten nun, dass hessische Autonome noch härter zulangen, gegen Rechtsextremisten und die Polizei. Und dass Neonazis ihrerseits brutaler auf Linke einschlagen. Vor allem im Schwalm-Eder-Kreis haben Rechtsextremisten politische Gegner angegriffen. In einem Fall überlebte ein Opfer nur knapp. Im Juli 2008 überfielen Neonazis am Neuenhainer See ein Zeltlager der „Linksjugend solid“, des Nachwuchsverbands der Linkspartei. Ein Rechtsextremist schlug mit einem Klappspaten auf eine 13-Jährige ein und verletzte sie schwer. Linke reagierten mit Racheaktionen: In den Wochen darauf wurden Fahrzeuge beschädigt, die Rechten gehörten.

Außerdem schließen Sicherheitskreise nicht aus, dass bei den zu erwartenden Protesten gegen den Klimagipfel in Kopenhagen hessische Autonome mitmischen, die im Sommer an dem Camp teilgenommen haben. Gerade Frankfurter Autonome haben einschlägige Erfahrung. Mehrere beteiligten sich 2007 in Kopenhagen an der Randale nach der Räumung des von Linken besetzten „Ungdomshuset“ (Jugendhaus) und später an den Krawallen zum G-8-Gipfel in Heiligendamm.

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