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Hessen: Noch ein Abschied von Koch

Die hessische Kultusministerin Karin Wolff will nicht mehr. Ihre Bildungspolitik in den vergangenen Jahren war ein Grund für die massiven Verluste der CDU. Es ging unter anderem um die die Art, wie die Schulzeitverkürzung am Gymnasium umgesetzt wurde.

Während im Mikadospiel der hessischen Parteien – keiner bewegt sich – auch zwei Wochen nach der Wahl Stillstand herrscht, gibt es erste personelle Konsequenzen. In einem offenen Brief an ihren CDU-Landesvorsitzenden, Ministerpräsident Roland Koch, hat Kultusministerin Karin Wolff ihren Rückzug aus dem Kabinett angekündigt. Nach neun Jahren „harter Arbeit für eine hochwertige Schulbildung in Hessen“ treffe sie diese Entscheidung mit Rücksicht auf die eigene Person, schreibt Wolff. Sie stehe in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr als Kultusministerin zur Verfügung. Da sie auch einer geschäftsführenden Landesregierung nicht angehören will, endet ihre Amtszeit spätestens am 4. April. Ihr Parteifreund und Kabinettskollege, Wissenschaftsminister Udo Corts, will ebenfalls zu diesem Zeitpunkt die Landesregierung verlassen. Sollte es bei der konstituierenden Landtagssitzung am 5. April nicht zu einer Neuwahl des Regierungschefs kommen, müsste der geschäftsführende Ministerpräsident Koch also zwei Ressorts anderen Ministern anvertrauen – eine echte Kabinettsumbildung Die SPD sprach deshalb von der Erosion der Regierung Koch.

Kultusministerin Karin Wolff war, zuletzt im Wahlkampf, heftig in die Kritik geraten. Lehrer, Eltern und Schüler kritisierten die Umsetzung der Schulzeitverkürzung in hessischen Gymnasien von 9 auf 8 Jahre (G8). Die Ministerin habe eine Zwangsganztagsschule ohne Mittagessen eingeführt, so die grüne Landtagsopposition. Die Kinder hätten durch G8 ein Pensum zu bewältigen, dass nicht einmal berufstätigen Erwachsenen zugemutet werde, so die SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti. Zuletzt war der Rückhalt für Wolff auch in den eigenen Reihen geschwunden. Bei der CDU-Listenaufstellung erhielt Wolff, die auch stellvertretende Parteivorsitzende ist, das schlechteste Wahlergebnis. Bei der Bewertung ihrer Arbeit gehen denn auch die Meinungen auseinander. Die Ministerin selbst zog eine positive Bilanz. Hessische Schulabschlüsse seien inzwischen nicht mehr Gegenstand des Spottes, sondern der Anerkennung. In Hessen gebe es eine verlässliche Unterrichtsversorgung, die Integration sei gefördert und die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss verringert worden, so Wolff. Ministerpräsident Koch zollte ihr Respekt, Dank und Anerkennung. Kultusministerin Wolff habe das Schulsystem in Hessen modernisiert und zukunftsfähig gemacht.

Die SPD-Vorsitzende Ypsilanti sprach dagegen von einem überfälligen Rücktritt, der allerdings keine Probleme löse. Ministerpräsident Koch und seine Kultusministerin hätten die soziale Auslese in Hessen dramatisch verschärft und seien für chaotische Reformen verantwortlich. FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn nannte Wolffs Rückzug ein Eingeständnis vieler handwerklicher Fehler. Der Grüne Bildungspolitiker Matthias Wagner erklärte, Wolffs Demission zum Bauernopfer: Der Ministerpräsident habe jeden Schritt seiner Kultusministerin mitgetragen. Auch Koch selbst müsse den Weg frei machen für eine neue Regierung und einen Neuanfang in der hessischen Bildungspolitik.

Mit ihrem Schritt erleichtert die Ministerin dem Noch-Ministerpräsidenten allerdings die Suche nach möglichen Partnern für eine neue Regierungsmehrheit. Wunschpartner FDP hatte vor der Landtagswahl ein Jamaikabündnis mit CDU und Grünen ausgeschlossen; das tut FDP-Landeschef Hahn jetzt nicht mehr. Auch Kochs Innenminister und Parteivize Volker Bouffier der bei einer solchen Konstellation zum Ministerpräsidenten aufrücken dürfte, warb in einem Zeitungsinterview für Jamaika. Bei Hessens Grünen entscheiden allerdings über Grundsatzfragen nicht Delegierte, sondern alle Parteimitglieder, die zu einer Versammlung erscheinen. Ein Jamaikabündnis in Hessen müsste also auf einer grünen Landesversammlung bestehen, was angesichts der politischen Differenzen zwischen CDU/FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite schwer vorstellbar bleibt.

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