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Ypsilanti

© dpa

Hessen: Rotkäppchen auf Herbstspaziergang

Hessens SPD spricht Andrea Ypsilanti Mut zu und macht den Weg für Gespräche mit den Linken frei. Der Sonderparteitag in Rotenburg hat entschieden, dass mit Grünen und Linken über die Regierungsbildung geredet wird.

Die hessische SPD wird in der kommenden Woche Koalitionsverhandlungen mit den Grünen und Tolerierungsgespräche mit der Partei der Linken aufnehmen. In Rotenburg an der Fulda gab ein Sonderparteitag am Samstag dafür grünes Licht. Nur sieben der 335 Delegierten stimmten mit Nein. Die SPD-Chefin Andrea Ypsilanti ließ keinen Zweifel daran, dass sie als Ministerpräsidentin einer rot-grünen Minderheitsregierung unter Duldung der Linken Roland Koch (CDU) ablösen will. Ypsilanti stimmte die Delegierten allerdings auf schwierige Verhandlungen ein: „Das wird kein Herbstspaziergang“, rief sie den Delegierten zu, die sie nach ihrem Auftritt mit stehenden Ovationen feierten. Mit Fahnen stürmten die SPD-Frauen nach der Schlussabstimmung das Saalpodium. Über die Lautsprecher erklang die Wahlkampfhymne. „Die Zeit ist reif.“

In Ypsilantis Rede war zuvor auch Selbstkritik an dem überhasteten ersten Anlauf zur Macht angeklungen, den die Darmstädter SPD-Abgeordnete Dagmar Metzger mit ihrem Nein im März gestoppt hatte. Sie habe damals versäumt, die Basis auf dem schwierigen Weg mitzunehmen, bekannte Ypsilanti. Auf den Regionalkonferenzen der letzten Wochen sei das nachgeholt worden. Inzwischen habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der im Wahlkampf versprochene Politikwechsel ohne Regierungswechsel nicht möglich sei. Ypsilanti verbat sich kritische Stimmen aus der Bundespartei. Die hessische SPD habe, trotz der neuen Konkurrenz von links, das beste Wahlergebnis seit langem eingefahren und werde ihre Entscheidung selbstbewusst und in großer Geschlossenheit alleine treffen.

Nur drei der 32 Redner meldeten Zweifel an ihrem Kurs an. Selbst Skeptiker, die den Kurs hin auf eine rot-grüne Minderheitsregierung nur zögerlich mitgehen, riefen in Rotenburg zur Geschlossenheit auf, so die Bundestagsabgeordnete Nina Hauer und der Unterbezirksvorsitzende des Main-Taunus-Kreises, Gerrit Richter. Allerdings werde es einen Regierungswechsel zusammen mit Grünen und Linken nicht um jeden Preis geben, sagte Richter. Der nordhessische Parteivorsitzende, Manfred Schaub, erinnerte an die Infrastrukturprojekte im Norden des Landes. Grüne und Linke lehnen den Ausbau des Luftfahrtlandeplatzes Kassel-Calden und den Neubau der Autobahnen A 44 und A 49 ab. Die SPD hat sich in eindeutigen Beschlüssen dafür ausgesprochen. „Das werden harte Wochen für uns“, sagte Schaub. Und SPD-Vize Jürgen Walter, der als möglicher Wirtschaftsminister gehandelt wird, bekannte sich ausdrücklich zu diesen Infrastrukturprojekten. Die SPD-interne Debatte der vergangenen Wochen nannte er allerdings ein Vorbild für innerparteiliche Demokratie. „Lasst uns heute die Ampel auf Grün stellen, damit dieses Land wieder rot wird“, sagte Walter, der Andrea Ypsilanti vor zwei Jahren an gleicher Stelle im parteiinternen Wettlauf um die SPD-Spitzenkandidatur unterlegen war.

In dem Parteitagsbeschluss wird die Kritik an der Zusammenarbeit der hessischen SPD mit der Partei der Linken entschieden zurückgewiesen. Die hessische Linke habe sich eindeutig von Mauerbau und SED-Diktatur distanziert, es gebe keinen Hinweis darauf, dass die Partei nicht für Demokratie und Menschenrechte eintrete, heißt es in der Begründung des Leitantrags; das Abstimmungsverhalten der Linken in den vergangenen Wochen sei von Kompromissbereitschaft geprägt gewesen, die Partei habe die nötige Verlässlichkeit unter Beweis gestellt. Die Kritik von CDU und FDP am „Wortbruch“ der SPD wies Andrea Ypsilanti als scheinheilig zurück. Koch habe vor der Wahl eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausgeschlossen und werbe inzwischen ungeniert für Jamaika. In Ostdeutschland habe sich die CDU die „Blockflöten“ einverleibt und kooperiere in den Kommunen ohne Skrupel mit der Linkspartei, so Ypsilanti. Die SPD-Chefin hatte schließlich die Lacher auf ihrer Seite, als sie auf die Warnungen der ehemaligen CSU-Generalsekretärin, Christine Haderthauer, anspielte. Sie hatte Ypsilanti als das „Rotkäppchen“ und Lafontaine als den „bösen Wolf“ aus dem Märchen bezeichnet. Ypsilanti erinnerte daran, wer in der Geschichte der Gebrüder Grimm am Ende übrig bleibe – das Rotkäppchen.

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