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Der hessische AfD-Spitzenkandidat Rainer Rahn.

© dpa

Hessen: Wie die AfD in ihrem Geburtsland punkten will

Die AfD wird nach der Hessenwahl wohl in allen Landtagen sitzen – auch wenn sie ihr Wahlziel wieder verfehlen könnte.

Gäbe es so etwas wie eine Wiege der AfD, dann wäre es Hessen. Hier wurde die Partei 2013 in einem Gemeindesaal in Oberursel gegründet. Hier startete Parteichef Alexander Gauland seine politische Karriere in der CDU, wurde Chef der hessischen Staatskanzlei. Und hier wohnte lange AfD-Mitbegründer Konrad Adam.

In diesem Gründungsland, so könnte man meinen, müsste die AfD besonders stark sein. Aber wenn am Sonntag um 18 Uhr die ersten Wahlprognosen verkündet werden, dann könnte es sein, dass der Jubel bei den Rechtspopulisten gedämpft ist. Zwar zieht die AfD aller Voraussicht nach in den 16. und damit letzten verbleibenden Landtag ein. In dieser Hinsicht ließe sich von einem Erfolg sprechen. Aber die derzeitigen Umfragen deuten gleichzeitig auf einen relativen Misserfolg hin. Denn es sieht bislang nicht danach aus, als würde die AfD ihr Ziel „15 Prozent plus X“ erreichen. Derzeit steht sie bei rund 13 Prozent.

AfD strebt nach konservativ-bürgerlichem Profil

Dabei sind die Erwartungen innerhalb der AfD groß. In bundesweiten Umfragen steht die Partei derzeit zwischen 16 und 18 Prozent. Nachdem die Partei bei der Bayernwahl schlechter abschnitt als erwartet, sollen nun die Hessen den Nimbus der AfD als Erfolgspartei verteidigen. Parteichef Jörg Meuthen prognostizierte, dass die AfD in Hessen „deutlich höher“ liegen werde als in Bayern. Schließlich spielten dort die Freien Wähler, die in Bayern ein besseres Abschneiden der AfD verhindert hätten, keine Rolle.

Die AfD versucht in Hessen, sich ein besonders bürgerliches Profil zu geben. Spitzenkandidat Rainer Rahn ist ein pensionierter Zahnarzt mit weißer Mähne und grauem Schnurrbart. Auf Listenplatz zwei steht Landeschef Robert Lambrou, ein Diplom-Kaufmann, Jahrgang 1967. „Durch unseren bürgerlich-konservativen Kurs sind wir hier eine größere Gefahr für die CDU als anderswo“, sagt Lambrou. Er beklagt sich darüber, dass CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier begonnen habe, die AfD als „Gefahr für Deutschland“ zu bezeichnen, die „auf dem Weg in den Extremismus“ sei, nachdem die CDU zum ersten Mal in Umfragen unter 30 Prozent gelandet sei. Wenn die AfD am Ende bei der Wahl nicht so abschneidet wie erhofft, wird sie eine „Diffamierungskampagne der Altparteien“ dafür verantwortlich machen.

Landtagswahl als Referendum über Große Koalition

Doch trotz ihres bürgerlichen Auftretens ist die AfD in Hessen nach rechts offen. Nach den Ereignissen in Chemnitz postete die AfD-Kreistagsfraktion im Hochtaunuskreis: „Bei uns bekannten Revolutionen wurden irgendwann die Funkhäuser sowie die Presseverlage gestürmt und Mitarbeiter auf die Straße gezerrt.“ Darüber, so der Post, sollten die Medienvertreter hierzulande nachdenken. Auf Landeslistenplatz 5 steht Andreas Lichert, der Verbindungen zur vom Verfassungsschutz beobachteten „Identitären Bewegung“ hat. In dieser Woche dann soll der Vater der AfD-Landtagskandidatin Mary Khan beim Flyerverteilen einen Anwohner mit einer Waffe bedroht haben.

Die Gießener Politikprofessorin Dorothée de Nève beobachtet, dass die AfD versuche, „die Landtagswahl zu einer Referendumswahl über die amtierende Große Koalition in Berlin zu stilisieren.“ Im Wahlprogramm stecke wenig Hessen, es sei weitestgehend identisch mit dem der bayerischen AfD. Die Strategie passe zu den Präferenzen ihrer Anhängerschaft: Zwei Drittel der AfD-Wähler gäben an, dass für sie die Bundespolitik, nicht Landespolitik wahlentscheidend sei. Ein Problem für die AfD sieht de Nève aber darin, dass ihre Kernthemen im Wahlkampf kaum eine Rolle spielten. Die konkurrierenden Parteien hätten sich – im Gegensatz zum bayrischen Landtagswahlkampf – nicht ständig an der Agenda und den Provokationen der AfD abgearbeitet. „Im Gegenteil ist es ihnen gelungen, Themen wie Bildung und Wohnen auf die Agenda zu heben.“ Andere Beobachter merken außerdem an, dass auch die Medien die AfD im Wahlkampf wenig beachtet hätten.

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