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Hessische Abweichler: "Hass, Häme und Anfeindungen"

Die vier hessischen SPD-Abweichler wollen den Vorwurf des Verrats nicht auf sich sitzen lassen.

Jetzt steht es fest. Am 19. November trifft sich der hessische Landtag laut Landtagspräsident Norbert Kartmann (CDU) zum vorerst letzten Mal: zur Selbstauflösung. Anschließend gibt es Neuwahlen. Und die große Sorge um Wirtschaft und Beschäftigung werde im Zentrum des Wahlkampfs stehen, sagte Ministerpräsident Roland Koch.

Die hessischen Liberalen setzten auf eine Koalition mit der CDU, nachdem sich die SPD selbst zerlegt habe, sagte FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn. Allerdings will sich die FDP diesmal auch die Option auf ein Bündnis mit Grünen oder SPD offenhalten. Vor dem Wahlgang 2008 hatten sich die hessischen Liberalen noch allein auf eine Koalition mit der CDU festgelegt. Heftige Kritik übte Hahn an der SPD wegen ihres Umgangs mit den vier Abweichlern, die in der vergangenen Woche die Wahl von Andrea Ypsilanti zur Ministerpräsidentin verhindert hatten. Frei gewählte Landtagsabgeordnete von Fraktionssitzungen fernzuhalten, sei eine Stillosigkeit sondergleichen, sagte Hahn. Die vier seien keine "Verräter", sondern aufrechte Sozialdemokraten, so der FDP-Chef. Ypsilanti verteidigte dagegen die Ausladung der vier von der SPD-Fraktionssitzung am Dienstag. "Das wäre atmosphärisch heute nicht möglich gewesen", sagte sie, und ihr Sprecher Frank Steibli ergänzte, den Schlusspunkt der langen Diskussion habe nicht die Fraktion gesetzt, sondern die vier, "und irgendwann ist es auch mal gut".

Keine Vier-Augen-Gespräche vor der Wahl

Für die SPD-Rebellen Carmen Everts, Silke Tesch, Dagmar Metzger und Jürgen Walter ist die Sache dagegen noch nicht ausgestanden. In der ARD-Sendung "Beckmann" griff Walter die Personalentscheidung von Ypsilanti an: "Thorsten Schäfer-Gümbel hätte größere Chancen, wenn Andrea Ypsilanti nicht an ihren Posten kleben würde und er mindestens eines der beiden Spitzenämter innehätte." Schäfer-Gümbel ist neuer Spitzenkandidat, Ypsilanti bleibt aber Partei- und Fraktionschefin. "Es wird schwer für Schäfer-Gümbel, aus ihrem Windschatten zu treten", sagte Walter. Die vier erläuterten, warum sie Ypsilanti die Stimmen verweigerten. Everts betonte, dass es entgegen der Darstellung von Ypsilanti kurz vor dem Wahltermin keine Vier-Augen-Gespräche gegeben habe.

Außerdem kritisierten die vier den Führungsstil der Parteispitze. "Frau Ypsilanti glaubte durchregieren zu können, das hat mich fassungslos gemacht", sagte Everts. Walter betonte, dass es nie einen "ergebnisoffenen Diskussionsprozess" gegeben habe. Auch Metzger bemängelte, dass nie auf Bedenken eingegangen worden sei. Und Tesch sagte, dass die Stimmung in der Partei von "Hass, Häme und Anfeindungen" geprägt gewesen sei. Sie habe sich nicht wie eine Kritikerin gefühlt, "sondern wie eine Störerin". Die vier gaben zu, dass man sich hätte früher bekennen müssen. "Aber die Konsequenzen für uns wären dieselben gewesen", sagte Walter.

Schäfer-Gümbel reagierte nicht auf diese Kritik. In der ZDF-Sendung "Johannes B. Kerner", wo er am Dienstagabend gemeinsam mit SPD-Landeschefin Ypsilanti auftrat, antwortete er auf die Frage, ob er sich nach der Wahl mit Ypsilanti um den Fraktionsvorsitz streiten müsse: "Nein, ich werde ja Ministerpräsident."

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