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Islamisten protestieren regelmäßig gegen die islamfeindliche Gruppe Pro NRW – hier Anfang Mai in Solingen.

©  Melanie Dittmer/dpa

Hetze aus Wasiristan: Dschihadist ruft Salafisten zu Mord auf

Audiobotschaft aus Wasiristan: Ein Dschihadist fordert deutsche Salafisten dazu auf, Vertreter von "Pro NRW" und Journalisten zu töten. Doch nicht nur das: Berlin ist einer der Schwerpunkte salafistischer Aktivitäten.

Von Frank Jansen

Die Hetze, mit Kampfgesängen untermalt, ist nur schwer zu verstehen und dauert kaum mehr als sieben Minuten. Doch das reicht, um die Sorgen der Sicherheitsbehörden zu steigern. Mit der am Wochenende bekannt gewordenen Audiobotschaft des aus Bonn stammenden Dschihadisten Yassin Chouka hat sich die Terrorszene im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet in den Konflikt zwischen Salafisten und der ultrarechten Gruppierung Pro NRW eingeschaltet.

Der wahrscheinlich in der pakistanischen Region Wasiristan lebende Chouka (27) alias „Abu Ibraheem al Almani“ ruft seine Glaubensbrüder in Deutschland zum Mord an den Islamfeinden wie auch an Journalisten auf. „Ihr sollt die Mitglieder von Pro NRW alle töten“, sagt der auf einem Standbild zu sehende Terrorist. Außerdem sollten Mitarbeiter von Medien umgebracht werden. Chouka nennt eigens den „Spiegel“.

Das Bundesinnenministerium ist beunruhigt. „Die Audiobotschaft ist ein vorläufiger Höhepunkt einer Gefährdungszuspitzung“, sagte ein Sprecher am Montag in Berlin. Generalbundesanwalt Harald Range bezog den Mordaufruf in die bereits seit Jahren anhängigen Ermittlungen gegen Chouka und seinen Bruder Mounir ein. Den beiden Salafisten wird die Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorvereinigung vorgeworfen. Yassin und Mounir Chouka alias Abu Adam al Almani (30) hatten etwa 2007 Bonn verlassen und sich in Wasiristan der „Islamischen Bewegung Usbekistans“ (IBU) angeschlossen. Die IBU ist mit Al Qaida, den Taliban und weiteren Terrororganisationen verbündet. Im Namen der IBU betreiben die Choukas seit Herbst 2008 im Internet Propaganda gegen Deutschland.

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In Sicherheitskreisen wird nun befürchtet, der Mordaufruf von Yassin Chouka werde die Stimmung in der deutschen Salafistenszene weiter anheizen. Leute wie Chouka „spielen auf dem Instrumentarium der Angst“, sagte der Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck, dem Tagesspiegel. Es bleibe allerdings offen, ob die Botschaft aus Wasiristan in der deutschen Salafistenszene „auch so ankommt, wie sie gemeint ist“.

Mehrere Experten warnen jedoch, die Audiobotschaft könnte junge, sich radikalisierende Muslime zu Attentaten animieren. Verwiesen wird auf den Mord, den der über Hetze im Internet aufgestachelte Kosovare Arid Uka im März 2011 an zwei US-Soldaten am Frankfurter Flughafen verübte, sowie auf die Krawalle von Salafisten in den vergangenen Wochen am Rande von Wahlkampfveranstaltungen von Pro NRW. Dabei hatte Anfang Mai ein aus Hessen stammender Salafist in Bonn zwei Polizisten mit Messerstichen schwer verletzt.

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Anlass der Ausschreitungen war, dass sich die Strenggläubigen über Anhänger von Pro NRW empörten, die demonstrativ Mohammed-Karikaturen präsentierten. Im Islam ist es verboten, den Propheten im Bild zu zeigen. Da Zeitungen und Zeitschriften Fotos druckten, auf denen die provozierenden Pro-NRW-Leute mit den Karikaturen zu sehen sind, wurden sie ebenfalls zum Ziel von Choukas Hasstiraden.

In der Audiobotschaft rät Chouka der Szene, auf Demonstrationen zu verzichten, um Festnahmen zu vermeiden. Der Terrorist propagiert verdeckte Methoden wie in einem „Geheimdienstverfahren“ gegen einzelne Pro-NRW-Mitglieder und Journalisten. Zu möglichen Schutzmaßnahmen für die Bedrohten sagen die deutschen Behörden, wie in solchen Fällen üblich, nichts.

Nach Ansicht von Sicherheitsexperten neigen in der Bundesrepublik ungefähr 1500 Mitglieder der Szene zu Gewalt. Zum deutschen Salafistenspektrum insgesamt zählen mindestens 4000 Personen. Sie seien „zwar eine kleine Splittergruppe unter den muslimischen Gruppierungen, aber die am schnellsten wachsende“, schreibt Guido Steinberg, Islamismus- und Terrorismus-Experte der Berliner Stiftung für Wissenschaft und Politik, in einer aktuellen Studie.

Die deutschen Salafisten „sind vor allem zum Problem geworden, weil alle aus der Bundesrepublik kommenden Dschihadisten, die sich in den letzten Jahren terroristischen Organisationen wie Al Qaida angeschlossen haben, salafistische Moscheen besuchten und/oder entsprechenden Gruppen angehörten“. Als lokale Schwerpunkte salafistischer Aktivitäten nennt Steinberg Berlin, Hamburg, Frankfurt und Bonn.

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