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Hildegard Hamm-Brücher

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Hildegard Hamm-Brücher: Gegen Verachtung und Verdrossenheit

Hildegard Hamm-Brücher, inzwischen freischaffende Liberale, feiert ihren 90. Geburtstag. Lange war sie im Bundesvorstand, wegen Möllemann trat sie 2002 aus. Wo sie auftrat, war immer Engagement, Freimut, Ermunterung.

Berlin - So sieht ein Politikerleben aus: 38 Jahre Mitglied in Volksvertretungen, zuerst, 1948, im Münchner Stadtrat, dann 22 Jahre im bayerischen Landtag, 14 im Bundestag, elf Jahre in Regierungsämtern, davon fünf als Staatssekretärin in Hessen und Bayern und sechs Jahre Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Dazu kommen die Parteiämter – FDP-Bundesvorstand, zeitweise sogar stellvertretende Bundesvorsitzende. Nimmt man ihr danach ab, dass sie, davon ist Hildegard Hamm-Brücher überzeugt, als „Parteisoldatin ziemlich unbrauchbar“ sei? Gewiss, FDP-Mitglied ist sie seit 2002 nicht mehr. Damals verließ sie die Partei wegen Jürgen Möllemanns antisemitischer Äußerungen. Nun sieht sie sich als „freischaffende Liberale“.

Es ist wahr, dass sich vor allem Gremien mit Hildegard Hamm-Brüchers Temperament und ihrem Widerspruchsgeist oft schwergetan haben. Dafür hat die promovierte Chemikerin und in Berlin-Dahlem aufgewachsene Münchnerin mit ihrem Enthusiasmus, ihrem Eigenwillen und ihrer unermüdlichen Einsatzbereitschaft für die Haltung der Bundesdeutschen zur Politik eminent viel getan. Denn eigentlich war ihr ganzes Leben ein immerwährendes Angehen gegen die Krankheiten, die die Politik bedrohen – erst, in der unmittelbaren Nachkriegszeit, die deutsche Politikverachtung, dann, seit den siebziger Jahren, die Politikverdrossenheit.

Wo Hildegard Hamm-Brücher auftrat, war immer Engagement, Freimut, Ermunterung – sozusagen als ein selbsttragendes Verhaltensmuster. Es konnte sich auf alle möglichen Inhalte richten, von der Bildungspolitik, die die Leidenschaft ihrer mittleren Jahre war, bis zu ihren sehr eigenen Vorstellungen von einer Reform der Demokratie.

Darin steckt bis heute als prägende Kraft das Erlebnis des politischen Anfangs der Bundesrepublik. Diesen ersten Jahren hat Hildegard Hamm-Brücher in einem eben erschienenen zeitgeschichtlichen Rückblick auf ihr Leben („Und dennoch… Nachdenken über Zeitgeschichte – Erinnern für die Zukunft“, Siedler-Verlag) einige bewegende Abschnitte gewidmet. Als die Waffen schwiegen, schreibt Hamm-Brücher, habe sie die Vorfreude gespürt, „von nun an fröhlich und zuversichtlich sein zu dürfen“.

In seiner protestantischen Tonlage ist das ein unverwechselbar Hamm-Brücherscher Satz. Und vielleicht drückt er auch das Grundgefühl ihres politischen Lebens aus. An diesem Mittwoch vollendet Hildegard Hamm-Brücher ihr neunzigstes Lebensjahr.

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