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Hilfe für Haiti: Haitis Präsident fühlt sich übergangen

Werden in Haiti die Fehler der Vergangenheit wiederholt? Das befürchtet Staatspräsident Préval und wirft den Helfern mangelnde Kooperation mit seiner Regierung vor.

Der haitianische Präsident René Préval hat fehlende Koordination bei der internationalen Hilfe kritisiert. "Viele Länder engagieren sich und haben guten Willen, zu helfen. Aber unsere Regierung wird nicht eingebunden, und man stimmt sich nicht ab", sagte er am provisorischen Sitz der Regierung in einem Polizeigebäude nahe des Flughafens in Port-au-Prince. "Die Hilfe geht direkt an die ausländischen Organisationen".

Auch der Präsident von Ecuador, Rafael Correa, der zuvor mit Préval zusammengetroffen war, sprach von einem "Imperialismus der Geberländer". "Sie geben zwar Geld, aber der größte Teil fließt an sie zurück", sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Beim Wiederaufbau dürften nicht dieselben Fehler gemacht werden wie in der Vergangenheit, sekundierte Préval. Vor allem müsse die Verwaltung stärker dezentralisiert werden. "Wir brauchen mehr Straßen und mehr Arbeitsplätze in der Provinz, damit nicht alle nach Port-au-Prince kommen, um dort Arbeit zu suchen.

Problematisch sei auch, dass die Schäden der jüngsten Wirbelstürme noch nicht einmal ganz beseitigt seien. "Die erste Katastrophe ist noch nicht überwunden, da haben wir schon die nächste", sagte Préval. "Wir reden nicht von Wiederaufbau, sondern von Neu-Aufbau", betonte er. Die Regierung hatte zuvor einen Aufruf über lokale Radiosender verbreitet, um vor ungeplantem Wiederaufbau der beschädigten Häuser zu warnen. Zudem wurde der Weiterverkauf von Lebensmitteln verboten, die Hilfsorganisationen gratis verteilen.

Ein Erdbeben der Stärke 7,0 hatte Haiti vor rund zwei Wochen erschüttert. Die Zahl der Obdachlosen wird von den UN mittlerweile auf 800.000 bis eine Million geschätzt. Ein Regierungssprecher gab die Zahl der Toten mit bis zu 180.000 an, 10.000 mehr als bei der vorigen Bilanz. "Es werden noch immer Opfer gefunden", sagte er.

Unterdessen berichten einige Helfer von einer angespannten Sicherheitslage. Dorthin, wo wirklich Hilfe benötigt werde, traue sich niemand, sagte die Kölner Ärztin Barbara Höfler, Helferin der Salesianer Don Boscos. Es gebe marodierende Banden, die die Einrichtungen ihrer Organisation vor zehn Tagen geplündert hätten. Auch der aus Haiti zurückgekehrte Würzburger Arzt Joost Butenop sprach von einer angespannten Sicherheitslage. Es sei bereits zu ersten Demonstrationen und Straßenblockaden gekommen. Der Grund: "In den Slums sind fast keine Häuser zerstört worden." Hilfsgüter gebe es jedoch nur für die Obdachlosen. Gefahr droht auch von etwa 6000 Häftlingen, die nach Angaben des haitianischen Polizeichefs Mario Andrésol aus zerstörten Gefängnissen entkommen konnten.

Vielerorts kehrt aber auch ein wenig Normalität zurück. Am Montag sollen die ersten Schulen wieder den Unterricht aufnehmen. Derzeit würden öffentliche und private Schulgebäude einer Prüfung unterzogen, teilte das Bildungsministerium mit. Die Behörde sucht nach Wegen, alle Schüler zurück in ihre Klassenräume zu bekommen. Hilfsorganisationen schätzen, dass 1,8 Millionen Kinder und 5000 bis 8000 Schulen betroffen sind. Bereits vor der Katastrophe litt Haiti unter einem mangelnden Bildungssystem. Nur etwas mehr als die Hälfte der neun Millionen Einwohner Haitis kann lesen und schreiben.

Quelle: ZEIT ONLINE, AFP, dpa, Reuters

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