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Politik: Hilfe von heute, Politik von morgen

FLUT IM WAHLKAMPF

Von Dagmar Dehmer

Alles weg, und nicht mal versichert: So geht es tausenden Menschen in den Hochwassergebieten. Deshalb liegen Bundesregierung und Landesregierungen völlig richtig, wenn sie nun schnell Hilfsfonds auflegen. Wer während der großen Flut in einer Turnhalle übernachten muss und nicht weiß, ob sein Haus womöglich einstürzt, wenn sich das Wasser zurückgezogen hat, der braucht handfestere Zusagen als ein paar gute Worte. Aber auch die tun gut.

Der Einwand ist schon berechtigt, dass sich in diesen Tagen alle Politiker um den Ehrentitel „Deichgraf“ bewerben. Doch auch wenn Guido Westerwelle treuherzig sagt, er wolle keinen Wahlkampf auf dem gebrochenen Deich – genau das ist der Ort, wo die Politiker derzeit hingehören. Selbst wenn Wahlkampf ist und die Verführung groß, auf jedem Sandsack ein Parteifähnchen zu hissen.

Nur, was wäre denn los, wenn sich Kanzler und Kandidat nicht in den Hochwassergebieten sehen ließen? Wenn sie sich nicht dafür interessierten, wie die Soldaten, die Feuerwehren und viele Freiwillige versuchen, das Schlimmste zu verhindern? Wenn sie kein Mitgefühl für die Opfer mit ihren vernichteten Ernten oder beschädigten Häusern zeigten? Dann gäbe es wirklich Grund, sich über die Politiker zu beschweren.

Der Kanzler spricht angesichts der Fluten von einer „nationalen Verantwortung“, er wünscht sich ein Zeichen der Zusammengehörigkeit. Und bei der direkten Katastrophenhilfe ist diese große Koalition ja auch angemessen. Schließlich geht es um ganz praktische Dinge: um Deiche, Sandsäcke und Geld, damit die Verluste zumindest teilweise ausgeglichen werden können. Wenn sich Regierung und die Opposition dabei gegenseitig an Großzügigkeit zu übertreffen versuchen, kann das den Hochwasseropfern nur recht sein. Hier werden die Unterschiede zwischen beiden nicht allzu groß ausfallen. Alle wissen, was zu tun ist. Und alle sind entschlossen, es zu tun.

Die Flutkatastrophe wirft jedoch nicht nur Fragen nach dem Hochwasserschutz auf oder nach Ermutigung und Entschädigung der Opfer. Sie hat zugleich die Umweltpolitik wieder zu einem Topthema gemacht. Hier sind die Unterschiede zwischen Regierung und Opposition schon deutlich größer. Selbst wenn die große Flut in Europa keine unmittelbare Folge des Klimawandels sein sollte, sind es doch genau solche Wetterextreme, vor denen die Klimaforscher schon lange warnen. Der grüne Umweltminister kann sich also in seiner Klimaschutzpolitik bestätigt fühlen. Die war zwar nicht spektakulär, aber dafür erfolgreich. In den vergangenen zwei Jahren ist der Kohlendioxid-Ausstoß der privaten Haushalte und im Verkehr erstmals wieder gesunken – vorher war dies das größte Hindernis auf dem Weg zum deutschen Klimaschutzziel. Dazu hat die ungeliebte Ökosteuer beigetragen, aber auch die Förderprogramme für die Altbausanierung und für die erneuerbaren Energien halfen, Energie zu sparen.

Alles Entscheidungen, die von der Opposition vier Jahre lang bekämpft worden sind. Die Union will die Ökosteuer aussetzen, die FDP will sie abschaffen. Stoiber hat auf die Flut reagiert und behauptet nun frech, er habe schon längst jemanden für die Umwelt im Kompetenzteam – Angela Merkel, die Ex-Umweltministerin. Schön, dass wir das nun auch erfahren. Weniger schön für Stoiber, dass die CDU-Chefin flugs eine eigene Ökosteuer ins Gespräch gebracht hat. Und ein bisschen spät, oder?

Jetzt muss erst einmal den Flutopfern geholfen werden. Aber wie künftig die Umweltpolitik aussieht, um solche Katastrophen dereinst zu vermeiden, das entscheiden die Wähler am 22. September.

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