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Steinbrück soll der Stahlindustrie Vergünstigungen angeboten haben.

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Hilfeangebot für Thyssen-Krupp: Steinbrücks Nähe zur Stahlindustrie sorgt für Unmut

Auf Steinbrück ist Verlass. Der SPD-Kanzlerkandidat sagt nicht nur, was er denkt. Er tut sogar, was er sagt, wie er jüngst einräumte. Damit eckt er nun wieder an. Sein neuer Fauxpas sorgt für Unmut – auch bei den Grünen.

Dass SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück in seiner Zeit als Thyssen-Krupp-Aufsichtsrat dem Stahlkonzern seine politische Hilfe für günstigere Strompreise angeboten hat, stößt auf breite Kritik. „Für weitere Vergünstigungen für die Stahlbranche gibt es objektiv keinen Grund“, sagte die Vize-Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Bärbel Höhn, Handelsblatt Online. „Um die Energiewende fair zu finanzieren müssen überzogene Privilegien für die Industrie abgebaut und auf Härtefälle beschränkt  werden.“ Das wollten die Grünen nach der Bundestagswahl durchsetzen, sagte Höhn und fügte hinzu, dass dies gemeinsam mit der SPD geschehen solle.

Hintergrund ist ein Bericht des Handelsblatts vom Dienstag. Steinbrücks Angebot an ThyssenKrupp geht demnach aus einem Protokoll des Aufsichtsrats vom 31. Januar 2012 hervor. Während der Sitzung hat danach ein Vertreter der Arbeitnehmerseite die hohen Stromkosten für deutsche Industriekunden kritisiert.

Steinbrück hat laut Protokoll geäußert, "wenn aus dem Kreis des Aufsichtsrats eine Initiative (...) ergriffen werde, sei er gerne zur politischen Unterstützung bereit". Als energieintensives Unternehmen würde ThyssenKrupp von einer Senkung der Strompreise erheblich profitieren. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme nahm laut Sitzungsprotokoll Steinbrücks "Anregung gerne auf".

Höhn begründete ihre Position mit Ergebnissen einer im vergangenen Jahr von den Grünen in Auftrag gegebenen Studie des Forums Ökologische-Soziale Marktwirtschaft (FÖS). Darin heißt es: „Bei einigen stromintensiven Industriekunden etwa im Bereich der Roheisen- und Stahlerzeugung ist der Strompreis sogar um 2 Ct/kWh auf 5,5 Ct/kWh gegenüber 2009 gesunken.“ Tatsächlich dürfte der Strompreis nach Höhns Einschätzung wegen weggefallener Netzentgelte sogar noch niedriger liegen. „Das dürfte noch einmal 1,3 Cent weniger bedeuten.“ Die Stahlindustrie profitiere heute schon von niedrigen Strompreisen, betonte Höhn. Private Haushalte zahlten dagegen aktuell mehr als 27 Cent.

CDU und FDP reagierten mit scharfer Kritik auf Steinbrücks Angebot. „Der neuerliche Vorgang zeigt, dass er nach seiner aktiven Zeit als Minister Maß und Mitte verloren hat“, sagte der CDU-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Karl-Josef Laumann, Handelsblatt Online. Steinbrücks Verhalten im Thyssen-Aufsichtsrat mache zudem deutlich, dass Politiker gut beraten seien, sich auf ihre eigenen Aufgaben zu konzentrieren. „Die Vermischung von Interessen ist entweder zum Schaden des Staates oder des Unternehmens“, unterstrich der CDU-Politiker. „Als Bundestagsabgeordneter wird Herr Steinbrück nicht als Lobbyist eines Konzerns bezahlt.“

Christian Lindner, FDP-Landeschef in Nordrhein-Westfalen, der sich eigentlich bundespolitische Abstinenz verordnet hat, machte damit am Montag eine Ausnahme und stichelte gegen Steinbrück: „Der politische Diskurs ist ergänzt worden um ein Peer-S. Das ist die Längeneinheit für den kürzesten Abstand zwischen zwei Fettnäpfchen.“

FDP: Steinbrück betreibt Umverteilung von der Mitte nach oben

Der Vize-Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Volker Wissing, warf Steinbrück vor, „immer offensichtlicher Politik für Banken und die Großindustrie“ zu machen. „Das Schlimme daran ist, dass der Mittelstand dabei vollkommen auf der Strecke bleibt“, sagte Wissing Handelsblatt Online. „Jeder Cent Entlastung für die Industrie muss vom Mittelständler um die Ecke bezahlt werden, von Handwerkern und auch von Familien.“ Steinbrück betreibe „Umverteilung von der Mitte nach oben“. FDP-Chef Philipp Rösler habe hingegen ein besseres Energiekonzept vorgeschlagen, fügte Wissing hinzu: den Abbau der übertriebenen Subventionen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). „Das begrenzt die Energiekosten für alle und ist gerechter als Steinbrücks Klientelpolitik“, sagte der FDP-Politiker. „Die Industrie braucht bezahlbare Strompreise, Mittelständler und Familien aber auch.“

Steinbrück selbst machte mit seinem Angebot an Thyssen-Krupp nur wenige Tage nach der besagten Aufsichtsratssitzung ernst. Auf dem Jahresempfang der Industrie- und Handelskammer Rheinhessen warb er für eine "einigermaßen preisgünstige Energieversorgung". Auch die SPD wirbt generell für bezahlbare Energiepreise. Sie setzt sich allerdings auch dafür ein, Vorteile für die Wirtschaft bei der EEG-Umlage zugunsten der erneuerbaren Energien zu verringern, sofern solche Ausnahmen nicht aus Wettbewerbsgründen erforderlich seien.

Laut Handelsblatt-Recherchen hat sich Steinbrück bei anderer Gelegenheit im Aufsichtsrat zurückhaltend zum Aufklärungsbedarf über das sogenannte Schienenkartell geäußert. Dabei geht es um illegale Preisabsprachen von Schienenherstellern, darunter auch Thyssen-Krupp, zu Lasten der Deutschen Bahn und anderer Verkehrsbetriebe.

Statt wie andere Mitglieder des Aufsichtsrats auf schnelle Aufklärung zu dringen, hat Steinbrück in dem Gremium gewarnt, "dass es schädlich wäre, wenn der Fall in der Pressekonferenz nach der Aufsichtsratssitzung thematisiert würde", heißt es in einem weiteren Sitzungsprotokoll. Der Vorstand von Thyssen-Krupp ist diesem Rat dann allerdings nicht gefolgt.

Steinbrück war von Januar 2010 bis Ende 2012 Mitglied des Aufsichtsrats von Thyssen-Krupp gewesen. Dafür erhielt er 170.695 Euro. Allerdings hat der SPD-Politiker häufig an Sitzungen des Gremiums nicht teilgenommen, was er mit politischen Verpflichtungen begründet hat.

Dieser Artikel ist zuerst erschienen auf Handelsblatt.com.

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