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Update

Hilfen und Auflagen für Zypern: Sparen mit Sparern

Die Finanzminister der Eurozone haben beschlossen, Zyperns Kontoinhaber mit einer Zwangsabgabe an der Rettung des Landes zu beteiligen. Das trifft den Kleinsparer genauso wie den russischen Millionär. Ist das gerechtfertigt?

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Wieder einmal müssen die Euro-Staaten einem strauchelnden Mitglied unter die Arme greifen: Zypern wird bis zu zehn Milliarden Euro erhalten, wodurch der Schuldenstand auf 100 Prozent der Wirtschaftskraft im Jahr 2020 begrenzt werden soll. Insgesamt hat der Mittelmeerstaat einen Finanzbedarf von rund 17,5 Milliarden Euro, was etwa seiner jährlichen Wirtschaftskraft entspricht. Die Differenz soll nun unter anderem durch eine Zwangsabgabe für Kontoinhaber bei zyprischen Banken – inländischen wie ausländischen – aufgebracht werden: Wer mehr als 100 000 Euro Bankeinlagen hat, muss eine Sonderabgabe in Höhe von 9,9 Prozent zahlen, geringere Summen werden mit 6,75 Prozent besteuert. Einleger sollen im Gegenzug an den Banken beteiligt werden.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zu Folge sei bei dem Rettungspaket für Zypern nicht auf die Ersparnisse von Kleinsparern zurückgegriffen worden. Die Bundesregierung hätte die Einlagensicherung respektiert, die für Konten bis zu 100.000 Euro gilt, erklärte Schäuble in einem “Tagesthemen“-Interview. “ Das war die zyprische Regierung, auch die Europäische Kommission und die EZB, die haben sich für diese Lösung entschieden und das müssen sie nun dem zyprischen Volk auch erklären“.

Auf die Frage, ob nicht auch ein Freibetrag möglich gewesen wäre, um die Zwangsabgabe sozialer zu gestalten, antwortete Schäuble, dass eine bestimmte Summe an Finanzmitteln zusammenkommen musste. “Wenn man auf der einen Seite nicht zu hoch gehen wollte in der Belastung der großen Investoren, dann kommt man auf die Summe nur, wenn man sie breit anlegt.“ Schäuble warnte das zyprische Parlament vor einer Ablehnung des Rettungspaketes. Im Falle eines “Nein“ seien die zyprischen Banken nicht mehr zahlungsfähig. “Und dann kommt Zypern in eine sehr schwierige Lage.“

Ist der Vorwurf berechtigt, die Zwangsabgabe für Sparer sei ein Tabubruch der EU?
In der Tat werden zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Staatsschuldenkrise die Besitzer von Giro- und Spareinlagen an den Kosten einer Rettungsaktion beteiligt. Auch im Falle Griechenlands gab es, wenn man so will, bereits einen Tabubruch, als nämlich private Gläubiger an den Kosten die Bankenrettung beteiligt wurden. Doch dort ging es um Gläubiger von Staatsanleihen, im Fall Zypern trifft es dagegen den zyprischen Rentner als Kleinsparer genauso wie den russischen Großanleger. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) fordert deshalb einen Schutz für Kleinsparer: Ihnen sollte ein Freibetrag von 25 000 Euro zugesagt werden.

Der Chefvolkswirt der Commerzbank Jörg Krämer betont, dass Zypern „mit seinem völlig überdimensionierten Bankensystem und seinen laxen Geldwäscheregeln ein Sonderfall“ sei. Die Bilanzsumme der zyprischen Banken ist acht Mal so groß wie die gesamte Wirtschaftsleistung. Im Schnitt der EU-Staaten ist der Bankensektor nur 3,5 Mal so groß. Die zyprischen Finanzinstitute werden von der EU nun gezwungen, bis 2018 auf das EU-Durchschnittsmaß zu schrumpfen. Auch der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisiert, dass Zypern nach wie vor eine bedeutende Rolle für Vermögen aus Straftaten spiele. So werde das Geld dort in großem Stile mithilfe von Schein- und Domizilgesellschaften gewaschen. BDK-Bundesvorsitzender André Schulz fordert „ernsthafte Maßnahmen zur Trockenlegung geldwäscherelevanter Infrastrukturen“. So müssten mindestens übliche gesellschaftsrechtliche Publikationspflichten umgesetzt werden. „Ein Online-Unternehmensregister, in dem unter anderem die Recherche eines wirtschaftlich Berechtigten einer Gesellschaft möglich ist, sollte innerhalb der Europäischen Union längst zu einem selbstverständlichen Mindeststandard gehören“, sagte Schulz.

Wird die Zwangsabgabe für Sparer nicht generell zu einem „Banken-Run“ führen?

Dass Sparer auch in anderen Krisenländern nun in großem Stil Einlagen von ihren Banken abziehen und dadurch die Staatsschuldenkrise wieder anheizen, hält Chefvolkswirt Krämer für „unwahrscheinlich“. Anders als in Zypern würden in anderen Peripherieländern die Bankeinlagen überwiegend von heimischen Sparern gehalten. In Zypern, wo sich die verzinslichen Einlagen bei Banken auf 70 Milliarden Euro belaufen, wird mehr als die Hälfte davon von Ausländern gehalten, zumeist von Russen und Briten. Dass in Zukunft in dem Mittelmeerstaat die Zinseinkünfte besteuert werden, gehört zu den Maßnahmen, die die EU dem Land auferlegt. Gegen eine Ansteckungsgefahr anderer Länder und einen „Banken-Run“ spricht nach Ansicht Krämers auch, dass bislang keine Abflüsse zu verzeichnen gewesen seien, obwohl bereits seit Wochen von Politikern über die Zwangsabgabe für Sparer diskutiert werde. Und selbst wenn in großem Maße Bankkonten geplündert würden, seien die Banken selbst nicht gefährdet. Sie könnten nämlich dann von den nationalen Zentralbanken sogenannte ELA-Notkredite in Anspruch nehmen, um sich zu refinanzieren. Für diese Kredite dürften sie auch riskantere Aktiva als Sicherheiten hinterlegen – diese von der Europäischen Zentralbank erlaubte Maßnahme hatte sich bei der Rettung der irischen Banken bewährt.

Insgesamt wird von Finanzexperten erwartet, dass die Vorteile, die eine solche Zwangsabgabe bringt, gegenüber den Risiken bei Weitem überwiegen. Nicht zuletzt deshalb, weil es eine Demonstration konsequenten Handelns der EU ist, die dazu beiträgt, nachlässige Schuldenstaaten zu disziplinieren.

Weil Zypern Investoren bislang mit dem niedrigsten Unternehmenssteuersatz der EU (zehn Prozent) anlockt, soll dieser nun auf 12,5 Prozent – das Niveau Irlands – erhöht werden. Das könnte 200 Millionen Euro Einnahmen im Jahr bringen. Zypern könnte auch aufgefordert werden, die staatliche Telekomgesellschaft, den Stromversorger und die Häfen zu privatisieren. Zyperns Finanzminister Michael Sarris reist am Mittwoch nach Russland, um mit seinem dortigen Amtskollegen die Laufzeitverlängerung für einen Hilfskredit aus dem Jahr 2011 in Höhe von 2,5 Milliarden Euro auszuhandeln.

Wie reagiert Zypern auf die Maßnahmen?
In Zypern geht noch immer die Angst vor einem Sturm auf die Banken um. Deshalb prüft die Regierung, die Banken der Insel auch noch am Dienstag geschlossen zu halten. Die Regierung werde die Banken notfalls auch länger schließen, sollte es im Parlament keine Entscheidung über die umstrittene Sonderabgabe auf sämtliche Bankguthaben der Insel geben, hieß es am Sonntag weiter. Die Sondersitzung des griechischen Parlaments war von Sonntag auf Montag verschoben worden. Zuvor sollen am Montagmorgen eine weitere Kabinettssitzung sowie am Nachmittag ein Treffen der Parteispitzen stattfinden.

Präsident Nikos Anastasiades erklärte am Sonntagabend in einer Fernsehansprache, man werde versuchen, die vorgesehene Abgabe auf Bankeinlagen zugunsten von Kleinsparern kurzfristig zu verändern. Für seine Zustimmung zu dem in Brüssel beschlossenen Maßnahmenpaket werde er den „politischen Preis“ zahlen, fügte der zyprische Präsident hinzu. Anastasiades hat keine klare Mehrheit im Repräsentantenhaus. Die beiden Mitte-Rechts-Parteien DISY und DIKO, die ihn stützen, haben im Parlament nur 28 von 56 Sitzen, nachdem ein Abgeordneter der liberal-konservativen DIKO seine Fraktion verlassen hat. Auch ist nicht gesichert, dass die verbleibenden acht DIKO-Abgeordneten für das Gesetz stimmen werden. Sollte die Parlamentsmehrheit für die Rettungsmaßnahmen verfehlt werden, drohen negative Reaktionen an den Kapitalmärkten, die das Land noch tiefer in die Krise treiben könnten. mit dpa/rtr

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