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Politik: Hilflose Helfer

Korruptions- und Kungeleivorwürfe: Das evangelische Diakonische Werk steckt nach dem Rücktritt seines Präsidenten in der Krise

So etwas hat es in der evangelischen Kirche schon lange nicht mehr gegeben: Die Diakonische Konferenz, die Mitgliederversammlung des Diakonischen Werks der EKD, verweigerte bei ihrer turnusgemäßen Tagung am Mittwoch in Karlsruhe ihrem Vorstand die Entlastung. Zumindest vorerst – der vom Vereinsrecht vorgeschriebene Akt wurde auf eine Ende des Jahres stattfindende Sondersitzung der Konferenz vertagt.

Schuld daran ist eine Affäre, die geeignet ist, das Image des bundesweit 400 000 Mitarbeiter und 27 000 Sozialeinrichtungen zählenden Bundesverbandes nachhaltig zu beschädigen: Recherchen der „Stuttgarter Zeitung“ brachten im August ans Tageslicht, dass der persönliche Referent des Diakonie-Präsidenten Klaus-Dieter Kottnik, Pfarrer Walter Merz, auch stiller Teilhaber der Unternehmensberatung „Dr. Dithmar und Partner“ war. Einer Firma, die von der ehemaligen persönlichen Referentin des früheren Diakonie-Präsidenten Jürgen Gohde, Christiane Dithmar, gegründet wurde, und zu deren Kunden auch das Diakonische Werk der EKD gehörte.

Vorwürfe von Korruption und Kungelei machten die Runde. Das Diakonische Werk trennte sich von Pfarrer Merz, und Mitte September trat auch Kottnik von seinem Amt zurück – „aus Gesundheitsgründen“, wie es in einer Pressemitteilung hieß. Seither wird spekuliert: Wusste der seit 2006 an der Spitze des Diakonischen Werks stehende württembergische Pfarrer Kottnik wirklich nichts von der Nebentätigkeit seines Referenten? „Wir gehen den in den Medien geäußerten Vorwürfen mit großer Sorgfalt nach“, sagte der Vorsitzende des Diakonischen Rates, des Aufsichtsrats der Diakonie, Württembergs Landesbischof Frank Otfried July, nun in Karlsruhe. „Wir wollen eine hohe Transparenz, denn wir wissen uns dem Vertrauen vieler Menschen in die Diakonie verpflichtet.“

Eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sei derzeit damit beschäftigt, die Vorgänge um den Referenten aufzuklären. Ein erster Zwischenbericht habe dem Aufsichtsrat bereits vorgelegen. Doch Details darüber wurden bislang nicht bekannt. „Weitere Akteneinsicht und Interviews sind nötig“, sagte July. Erst im November werde man wissen, ob das Diakonische Werk durch die unentdeckte Doppelfunktion von Merz geschädigt wurde.

Die Affäre um den Referenten ist nicht die einzige Baustelle in der Diakonie: Dass das sozialpolitische Vorstandsmitglied Kerstin Griese seit Juli als nachgerückte SPD-Abgeordnete wieder dem Bundestag angehört, missfällt so manchem. Die Diakonie gerate dadurch in parteipolitische Fahrwasser, hieß es. Und die für 2012 angestrebte Fusion von Diakonischem Werk, Brot für die Welt und Evangelischem Entwicklungsdienst ist auch noch nicht unter Dach und Fach. Zum dritten Mal in einem Jahr diskutierte die Diakonische Konferenz über eine gemeinsame Satzung. Mit dem geplanten Bau einer neuen Bundeszentrale auf dem Gelände der Berliner Stadtmission am Hauptbahnhof geht es ebenfalls nicht weiter. Man befinde sich „in einer sehr schwierigen Situation“, sagte der amtierende Diakonie-Vorstand Wolfgang Teske. Die Finanzierung sei nicht geklärt, man erwäge den Ausstieg.

Zuerst aber muss ein neuer Präsident gefunden werden. In Karlsruhe setzte der Aufsichtsrat eine Kommission ein, die bis Ende des Jahres geeignete Kandidaten für die Kottnik-Nachfolge vorschlagen soll.

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