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Politik: Hilfloser Helfer

Wenn die Not wächst, ist Schröder am besten – aber in Brüssel fehlt es ihm an Geld und Durchsetzungskraft

Wie schön wäre es für den Bundeskanzler gewesen, wenn er so kurz vor möglichen Neuwahlen beim Brüsseler EU-Gipfeltreffen die Rolle des Retters hätte übernehmen können. Als vor drei Jahren an Oder und Elbe die große Flut kam und er in Gummistiefeln Trost spendete und Hilfe versprach, ist es Gerhard Schröder schon einmal gelungen, sich auf der Welle der Sympathie ins Kanzleramt tragen zu lassen. Jetzt steht nach den gescheiterten Referenden in Frankreich und den Niederlanden den Staats- und Regierungschefs der EU zwar auch das Wasser bis zum Hals. Den Weg aus der Verfassungs- und Finanzkrise konnte am Freitag aber auch der Bundeskanzler nicht weisen.

Immerhin war der deutsche Bundeskanzler einer von denen, die bereit waren, über den EU-Finanzrahmen der nächsten sieben Jahre in Brüssel konstrutiv zu verhandeln. „Wir könnten ganz gut mit dem Kompromiss leben, der auf dem Tisch liegt“, meinte noch am Freitag ein hoher deutscher Diplomat. Tatsächlich ist die deutsche Nettobelastung in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Der Kompromissvorschlag des EU-Ratspräsidenten Jean-Claude Juncker sah zudem eine weitere Senkung der finanziellen Beiträge Deutschlands in die EU-Kasse vor.

Am Freitag war dann alles möglich – ein vernünftiger Kompromiss über die Finanzplanung 2006 bis 2013 und damit das vom Bundeskanzler beschworene politische „Signal der Handlungsfähigkeit“ ebenso wie das totale Scheitern. Er würde ja ganz gern zwischen den unterschiedlichen Positionen der einander in den Haaren liegenden Briten, Franzosen, Niederländer vermitteln und helfen, ließ Schröder wissen. Das alte Schmiermittel, das früher so oft europäische Kompromisse möglich machte, habe er aber nicht mehr in Petto: Geld, das Wogen glätten kann. Die desolate Haushaltslage lässt den Griff in die Kasse nicht zu. „Wir können es uns einfach nicht mehr leisten“, bedauert er.

Dabei hat die europäische Erfahrung in den vergangenen sieben Jahren den Bundeskanzler vom Saulus geradezu zum Paulus gemacht. Unbeleckt von Kenntnissen über die europäische Politik zog der Niedersachse 1998 mit simpler Europa-Kritik in den Wahlkampf gegen den Europäer Helmut Kohl. Seither hat Gerhard Schröder viel dazugelernt – und offenbar auch viel von seinem Vorgänger. „Das deutsch-französische Verhältnis ist entscheidend für Europa“, sagt der Niedersachse heute, der diese Grunderkenntnis europäischer Politik mühsam lernen musste. Im Unterschied zum Pfälzer Kohl, der von der deutsch-französischen Nachbarschaft geprägt wurde, hatte Schröder wenig Berührung mit Frankreich und den Franzosen. Der Bundeskanzler musste deshalb auch einen mühsamen Lernprozess hinter sich bringen, bis er den Draht zu seinem französischen Gegenüber Jacques Chirac fand. „Ein Verzicht auf das enge deutsch-französische Verhältnis ist hochgradig gefährlich“, sagt Schröder heute – und warnt damit seine Rivalin Angela Merkel, die offenbar mit einer Lockerung des Sonderverhältnisses zu Paris liebäugelt.

Am Anfang habe er sich vielleicht zu wenig auf die europäische Idee eingelassen, gibt der Bundeskanzler heute in kleinem Kreise zu. Auch heute bekennt er sich vor allem aus Gründen der nüchternen politischen und wirtschaftlichen Vernunft zum Ziel der europäischen Einigung. Inzwischen hat die europäische Politik für Schröder jedoch noch eine weitere Dimension: „Für mich persönlich ist Europa mehr als die politische Praxis. Es ist etwas geworden, das mir am Herzen liegt“, bekennt Schröder. „Wir haben hier eine Menge geleistet, was zum Besten gehört, das wir zustande brachten.“

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