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Politik: „Hilfreich wäre, wenn falsche Fragen aufhörten“ Amr Hamzawy über Ägyptens Weg zur Demokratie

Herr Hamzawy, hat sich das Militär bisher als verlässlicher Partner beim Übergang zu freien Wahlen erwiesen?Bisher hat das Militär im Grunde genommen vieles richtig gemacht.

Herr Hamzawy, hat sich das Militär bisher als verlässlicher Partner beim Übergang zu freien Wahlen erwiesen?

Bisher hat das Militär im Grunde genommen vieles richtig gemacht. Es war richtig, das Parlament aufzulösen, das durch gefälschte Wahlen zustande gekommen war. Es war richtig, die Verfassung außer Kraft zu setzen. Nun soll eine Kommission Verfassungsänderungen erarbeiten. Die Zusammensetzung dieser Kommission ist nicht einseitig, sondern sehr ausgeglichen. Das Militär hat versprochen, unabhängige Ausschüsse zu gründen, die die Verbrechen des alten Regimes und die Korruption seiner führenden Vertreter untersuchen. Das sind alles Schritte, die in die richtige Richtung gehen.

In welchen Punkten müsste das Militär weiter gehen oder nachbessern?

Ich vermisse einen institutionalisierten Rahmen für einen nationalen Dialog. Ich vermisse die Bereitschaft des Militärs, auf die legitimen Forderungen von Gewerkschaften und zivilen Gruppen zur Verbesserung der sozialen Lage einzugehen. Ich vermisse auch eine Übergangsregierung, die den Aufbruch verkörpert. Wir haben es weiterhin mit Ministern zu tun, die das alte autokratische System getragen und wirtschaftlich davon profitiert haben. Wir fordern dagegen ein unabhängiges Kabinett aus Demokraten und Experten. Das ist eine wichtige Frage. Das Militär will in sechs Monaten freie Wahlen. Ich bin besorgt, wenn das Land in diesem halben Jahr nur durch Militärverordnungen regiert wird.

Für die Verfassungsänderung bleiben nur zehn Tage. Reicht die Zeit?

Zehn Tage reichen, weil in den vergangenen Jahren ausgiebig diskutiert worden ist, welche Artikel geändert werden müssen, um den Übergang zur Demokratie zu ermöglichen. Es gibt da einen breiten nationalen Konsens. Es geht um den Übergang von einer Verfassung, die dem Präsidenten ausgedehnte Befugnisse verleiht, zu einer Verfassung für ein parlamentarisches System.

Sie gehören dem Rat der Weisen an. Was ist das für eine Organisation?

Wir sind eine Initiative von unabhängigen Intellektuellen, Unternehmern und Politikern ohne Parteizugehörigkeit. Wir haben uns vorgenommen, den Übergang Ägyptens zur Demokratie mit Ideen und Vorschlägen zu unterstützen. Mit dem Militär haben wir bislang nicht gesprochen. Wir setzen darauf, dass unsere Thesen die Öffentlichkeit überzeugen.

Auf welche Weise kann Deutschland Ägypten beim Übergang zur Demokratie helfen?

Am hilfreichsten wäre es zunächst, wenn von Deutschland nicht immer wieder die zwei falschen Fragen gestellt würden. Das eine ist die Frage nach der Sicherheit Israels. Es gibt in Ägypten einen Konsens darüber, dass wir unsere außenpolitischen Verpflichtungen einhalten. Das zweite ist die Frage nach der Machtübernahme der Muslimbruderschaft. Sie verkennt die Realität Ägyptens. Die Demonstranten waren die Vertreter einer Mehrheit, die sich weder vom alten Regime noch von der Muslimbruderschaft repräsentiert fühlen. Wenn Deutschland aufhört, diese falschen Fragen zu stellen, kann es sehr viel helfen. Wir können sehr von den Erfahrungen profitieren, die Deutschland gemacht hat beim Aufbau von Demokratien in europäischen Ländern, etwa in Griechenland oder Portugal seit den 70er Jahren oder auf dem Balkan seit den 90er Jahren. Da hat Deutschland viel geleistet. Die deutsche Außenpolitik und deutsche Stiftungen können auch uns helfen.

Amr Hamzawy (43)

ist Politologe. Der

in Kairo geborene

Forschungsdirektor des Carnegie Middle East Centers in Beirut

promovierte an der FU Berlin. Das Gespräch führte Hans Monath.

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