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Bundeskanzlerin Angela Merkel fand keine großen Worte zu Griechenland. So wie zuvor. Und wie eigentlich immer.

© dpa

Hilfspaket für Griechenland: Athen und Merkelsche Dialektik

Der Bundestag debattierte über Hilfen für Athen, die Kanzlerin schwieg. Vielleicht auch deshalb, weil es nicht das letzte Hilfspaket ist. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wieder nicht. Wieder hat die Bundeskanzlerin die Gelegenheit nicht genutzt, im Plenum des deutschen Volkes dem Souverän, uns, den Wählern, zu erklären, was für ihre Europapolitik die Rettung Griechenlands bedeutet. Und was das für die Zukunft zu bedeuten hat. Aber vielleicht war es ja Angela Merkels subtile Art, allen zu bedeuten, dass da noch mehr kommt. Dass das dritte nicht das letzte „Hilfspaket“ für Athen sein wird. So gesehen wäre es dann auch schon wieder richtig gewesen, nicht zu reden – wenn der historische Moment erst noch kommen wird.

Das Ökonomische bestimmt die Politik, und das Politische entscheidet über das Ökonomische. Kompliziert? Dialektisch. Merkelsch. Zum Ökonomischen: Auch die 86 Milliarden Euro an Notkrediten, denen der Bundestag jetzt zugestimmt hat, werden zum geringsten Teil in die griechische Wirtschaft investiert. Weit mehr geht in die Rettung derer, die deutsches Engagement in Griechenland retten. So wird das aber nichts mit dem dringend benötigten Wachstum, Voraussetzung für jede Gesundung. Vor dem Hintergrund: Ist wahrscheinlich, dass die Griechen jemals ihre 300 Milliarden Euro Schulden werden bedienen können?

Insofern hatte Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen, recht, als er Kanzlerin Merkel schon vor der als historisch apostrophierten Sitzung vorwarf, sie sei zu feige, den Bürgern ehrlich zu sagen, dass Athen nie alle Schulden zurückzahlen könne. Aber warum sagt sie es nicht? Weil diese ökonomische Tatsache unpopulär ist und politisch erklärungsbedürftig wäre. Und weil sie auf die logische Lücke, geradezu auf den Krater, aufmerksam machte, der zwischen den ökonomischen Gegebenheiten und den politischen Entscheidungen klafft.

Ein Schuldenschnitt, der nicht so heißen darf

Nehmen wir als Beispiel die Forderungen des Internationalen Währungsfonds und Berlins Angebote: Der IWF will einen Schuldenschnitt durchsetzen, der (rechtlich) nicht so genannt werden darf; Berlin will höchstens längere Rückzahlungsfristen gewähren. Die eine, Christine Lagarde, will „entscheidende Schuldenerleichterung“, der andere, Wolfgang Schäuble, sieht dafür nur höchst „begrenzten Spielraum“.

Aber wer will das schon noch so genau wissen. Die Abgeordneten wollen in großer Mehrheit ihre Ruhe haben, und sie wollen vor allem glauben, dass das, was jetzt beschlossen ist, irgendwie aufgeht. Da bedeutet es ihnen wenig, dass nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung auch dieses sogenannte Hilfspaket nicht funktioniert. Viel wichtiger ist es der Koalition offenkundig, dass das Ganze weitgehend zu deutschen Bedingungen geschieht. Und dass es so bleibt: Selbst in Europas Krise verdient Deutschland bombig – auch an der Krise. So gesehen stimmt, dass das, was vorliegt, ein Erfolg der Bundesregierung ist.

Mag der in Teilen populistisch sein, antideutsche Klischees bedienen – Hauptsache, wir bleiben finanziell am unteren Rand dessen, wofür Deutschland stehen sollte? Wenn es doch die Orientierungsmacht sein will, als die andere Europäer es ansehen? Sich bei Griechenland herauszuziehen wird aber nicht gelingen. Das gestatten die Franzosen und Italiener nicht. Deshalb war das dritte Ja unumgänglich: Es stellt die Koalition. Verantwortung und Haftung, das Thema für die Griechen ist auch eines für die Bundesregierung. Wenn nicht bei diesem, dann beim nächsten Kreditpaket.

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