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Politik: Hinter den Linden: Kiezbewohner

Bonn ist ja im Grund ein ziemliches Dorf gewesen. Jedenfalls, sofern "Bonn" als Metapher zu verstehen ist für das kleine Polit-Viertel zwischen drei Anlegern der Rhein-Touristenflotte.

Von Robert Birnbaum

Bonn ist ja im Grund ein ziemliches Dorf gewesen. Jedenfalls, sofern "Bonn" als Metapher zu verstehen ist für das kleine Polit-Viertel zwischen drei Anlegern der Rhein-Touristenflotte. Vor unseren Bürofenstern hat nicht die Symphonie der Großstadt gespielt, sondern das Karnickel. Außerdem wussten wir immer schon Tage vorher, wer am nächsten Montag im "Spiegel" interviewt wird, weil wir die fraglichen Promis aus dem gleichen Bürofenster immer sehr schön bei der Redaktion vorfahren sahen. Der sozialen Kontrolle im Dorf entging niemand.

Das ist hier natürlich alles anders. Von unseren Bürofenstern aus sehen wir die Symphonie der Großstadt in Gestalt des Baggers. Außerdem umfasst das Berliner Polit-Viertel mindestens acht Anleger der Spree-Touristenflotte, und mit der sozialen Kontrolle ist es auch nicht weit her. Wahrscheinlich nimmt deshalb der Polit-Promi-Klatsch in den Gazetten immer mehr Raum ein: In Bonn war das Genre überflüssig, weil sowieso jeder alles wusste.

Und doch hat sich auch hier ein Rest von Dorf erhalten. Es steht in Moabit und ist bekannt als die "Beamten-Schlange". In dem absonderlichen Bauwerk und dem angeschlossenen Supermarkt sehen sich inzwischen abends viele wieder, die sich tagsüber in den Bundestagsbauten rund um den Reichstag auch schon treffen - ein Kleinbonnum inmitten der Anonymität der Jroßstadt. Und als Kundschaft für die Klatschpresse übrigens eben so untauglich wie das Original: Wer morgens aus der Zwei-Zimmer-mit-Küche-Bude kommt, obwohl er da gar nicht wohnt, weiß sowieso der ganze Kiez.

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