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Politik: Hinter den Linden: Männerglück

Berlin, die späte Hauptstadt, neigt bekanntlich zu Superlativen. Der neue Bezirk Mitte steht in dieser Hinsicht an vorderster Front.

Berlin, die späte Hauptstadt, neigt bekanntlich zu Superlativen. Der neue Bezirk Mitte steht in dieser Hinsicht an vorderster Front. Hier schmücken sich die Baukräne neuerdings mit kühnen Lichterketten, die völlig neue Winterhimmel schaffen. Hier steht das größte Sozialamt Europas. Hier sprudelt das Geld von Wirtschafts- und Politikeliten. Ja, Berlin-Mitte hat Weltniveau auch als Ort der größten sozialen Gegensätze. Manchmal sind sie offensichtlich. Gelegentlich verhüllen sie ihr Gesicht. Was verbirgt sich hinter den Bretterzäunen auf der Wilhelm- und Luisenstraße? Einer davon direkt gegenüber dem Gourmet-Tempel Margaux, wo es das allerfeinste Essen gibt. Man sieht Gruppen von Bauarbeitern aus diesen Brettern hervortreten und gut gelaunt zu ihren Arbeitsstätten zurückschlendern - manchmal aber auch Menschen in einer Bekleidung, die sie eindeutig als Führungspersonal aus den bereits fertiggestellten Gebäuden ausweist. Diese gut betuchten, stets männlichen Menschen treten mit scheuem Blick, schamhaft, verstohlen, glücklich aus der verbretterten Kulisse. Auf unbestimmte Art ähneln sie Männern, die gerade aus der Peepshow kommen. Aber darum handelt es sich auf der Wilhelmstraße natürlich nicht. Die gutgelaunten Bauarbeiter und die verstohlenen Besserverdienenden tragen offen zu Markte, was sie im stillen Winkel gerade erworben haben: Brat- und Bockwürste mit Senf, dick belegte Brötchen mit Käse, Wurst oder gar Fleischsalat. Das Ende der Baustellen wird fürchterlich. Denn mit ihnen werden auch die Baukioske und Buden verschwinden. Und mit ihnen wieder ein Ort von Männerglück, das fast verboten ist - zumal in Zeiten von BSE.

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