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Politik: Hinter den Linden: Mams und Muvs

"Ohrbepflanzung" ist so ein Wort. Das ist natürlich richtig missverständlich.

"Ohrbepflanzung" ist so ein Wort. Das ist natürlich richtig missverständlich. Aber das gibt es. Also. Wenn es Verkehrspolitikern langweilig wird, lesen sie das Mams. Das "Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen". Zur Erbauung. Wenn es Verkehrspolitikern zu hektisch wird, blättern sie zur Entspannung im Muvs, dem "Merkblatt zur Umweltverträglichkeitsstudie in der Straßenplanung". Mams und Muvs sind Regelwerke, bei denen die Autoren mit der zentralen intellektuellen Herausforderung konfrontiert werden, sprachlich sehr kreativ mit allerlei Alltäglichkeiten umzugehen. Manchmal ist das auch dem Laien problemlos zugänglich. Manchmal wird es richtig schwierig. "Zweiglagen kommen im Allgemeinen ohne größere erdbautechnische Eingriffe aus." Klar. Um Reisig an den Straßenrand zu legen, brauche ich keinen Bagger. "Die Buschmatratze ist mit Feinerde zu überrieseln." Schon schwieriger. Die Buschmatratze teilt sich nämlich in die lebende (RAS-LG III, 4.5.8.a) und die gemischte (RAS-LG III, 4.5.8. c). Ihr sind "mindestens 25 Prozent ausschlagfähige Zweige als obere Lage beizumischen". Der Gesetzgeber rügt ausdrücklich "einen großen Materialverbrauch" bei Buschmatratzen. Doch was ist das überhaupt? Jedenfalls nichts zum drauflegen. Eher schon wird die Buschmatratze draufgelegt. Und zwar über Erosionsschäden. Zwischen Alleebäume beispielsweise. Wobei Alleebäume natürlich nicht Alleebäume heißen, sondern "großkroniges Straßenbegleitgrün". Ehrlich. Das Gras zwischen den Auf- und Abfahrten eines Autobahnkreuzes indes heißt nicht Straßenbegleitgrün, sondern "Ohrbepflanzung". Da sind die Verwaltungsmenschen einmal richtig sinnlich geworden. Eher technokratisch dagegen erfolgt der Hinweis, wie man die Natur schont. "Die Pflege kann durch gezielte Maßnahmen erfolgen." Ja, sicher.

Nun gut. Genug des Behörden-Spotts. Ein jeder Politikbereich pflegt seine Sprach-Eskapaden, ein jeder Verwaltungsbereich auch. Man muss die Realität eben erst verbal erfassen, ehe sie planerisch kategorisiert wird. Alles ganz normal. Aber "Ohrbepflanzung" ist trotzdem hübsch. Heute ist übrigens nicht nur Sonntag, sondern der erste Sonntag im Februar. Das Ende des Winters, es nähert sich ganz allmählich. Zeit also, auf die Terasse oder den Balkon zu gehen, den Blumenkasten oder die Beete zu betrachten und vollkommen verwaltungsunabhängige Überlegungen anzustellen. Irgendein kleinkroniges Betonbegleitgrün würde sich zum Frühjahr bestimmt gut machen.

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