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Politik: Hinter den Linden: Neid der Konkurrenz

Das Verhältnis der Dichter zu den Zeitungen ist stets ein wenig angespannt gewesen. Der alte Goethe zum Beispiel hat von der Lektüre rundweg abgeraten.

Von Robert Birnbaum

Das Verhältnis der Dichter zu den Zeitungen ist stets ein wenig angespannt gewesen. Der alte Goethe zum Beispiel hat von der Lektüre rundweg abgeraten. Das Lesen der täglichen Nachrichten, grantelte der Herr Geheimrat, zerstreue den Geist, so dass er zur Aufnahme von Besserem, Edlerem und Anspruchsvollerem nicht mehr im Stande sei. Wir wissen nicht, ob er mit dem Besseren, Edleren und Anspruchsvollerem zum Beispiel auch den "Faust II" gemeint hat, geben aber zu bedenken, dass jedenfalls ein leiser Unterton von Konkurrenzneid in des Dichterfürsten Presseschelte mitschwingt.

Auch von anderen schriftstellernden Geistesgrößen ist mehr Tadel als Lob der Zeitung aktenkundig. Die Kritikaster stoßen sich nicht nur an der Form, sondern auch am Inhalt. Immer nur Mord und Totschlag, Krisen und Krawalle! Nun geben wir zu bedenken, dass auch hierin ein leiser Unterton von Konkurrenzneid mitschwingt. Denn die Weltliteratur geizt keinesweg mit Mord und Totschlag, Krisen und Krawallen. Was gilt als der erste Roman des Abendlandes? Eine Reportage über den Trojanischen Krieg.

Ganz selten sind allerdings Verbesserungsvorschläge der Literaten an die Journalisten. Einer der wenigen bekannten stammt von Christian Morgenstern: "Es müsste Zeitungen geben, die immer gerade das mitteilen und betonen, was augenblicklich nicht ist. Z.B. Keine Cholera! Kein Krieg! Keine Revolution! Keine schlechte Ernte! Keine neue Steuer!, und dergleichen. Die Freude über die Abwesenheit großer Übel würde die Menschen fröhlicher und zur Ertragung der gegenwärtigen tauglicher machen." Darüber sollte man vielleicht doch noch mal nachdenken.

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