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Politik: Hinter den Linden: Noblesse oblige

Es gibt große Dichterworte, die werden seit vielen, vielen Jahren völlig falsch gedeutet. Ein Beispiel: "Name ist Schall und Rauch" (Goethe, Faust).

Von Robert Birnbaum

Es gibt große Dichterworte, die werden seit vielen, vielen Jahren völlig falsch gedeutet. Ein Beispiel: "Name ist Schall und Rauch" (Goethe, Faust). Unsere Deutschlehrer haben uns eingetrichtert, dies sei ein Ausdruck der Geringschätzung von Titeln und Ehrenbezeichnungen. Wir haben Besinnungsaufsätze darüber schreiben müssen, dass der wahre Adel des Menschen in seiner Seele zu suchen sei. Das stimmt aber gar nicht. Erstens ist von selbigem Goethe die nüchterne Erkenntnis überliefert, dass Orden und Ehrenzeichen nützlich sein können, denn: "Sie halten manchen Puff ab im Gedränge." Zweitens begegnen uns Menschen, die nicht von Geburt von Adel sind, sondern durch glückliche Fügung - zum Beispiel eheglückliche -, die aber keinerlei Neigung zeigen, nach dem Ende dieses Glückes mit dem Ring den Titel zurückzugeben. Dies mag vielleicht kein wahrer Adel sein, aber dafür liegt er eben nicht nur in der Seele verborgen.

Daher die Vermutung, dass das mit dem Schall und Rauch anders gemeint war, mehr im sprengstofftechnischen Sinne. Namen, will uns der Dichter sagen, sollen Aufsehen erregen. Eine zumindest realitätsnahe Auslegung. Nehmen wir die Pommesbude gegenüber dem Pressehaus. Die hieß bis vor kurzem nur "Imbiss". In dem Namen steckte Rauch vom Würstchengrill, mehr aber nicht. Doch neuerdings steht auf dem knallroten Schild: "Imbiss am Presseclub". Das ist ein Anspruch, alle Wetter! Gegenüber beim Viehhauser im "Presseclub" kocht ein Sterne-Koch. Bis zu solchem Küchenadel hat der Pommesgriller noch ein gutes Stück Wegs vor sich. Aber um mit Goethe zu sprechen: Hauptsache Schall!

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