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Politik: Hinter den Linden: Sinkendes Schiff?

Das Verhältnis zwischen Mensch und Ratte ist gespannt. Die Nager leben in Kanalrohren und Kellern, gucken durch Gullideckel, hocken in der Mülltonne, huschen an Häuserecken herum und erschrecken den Menschen, wo immer es geht.

Das Verhältnis zwischen Mensch und Ratte ist gespannt. Die Nager leben in Kanalrohren und Kellern, gucken durch Gullideckel, hocken in der Mülltonne, huschen an Häuserecken herum und erschrecken den Menschen, wo immer es geht. Der lange nackte Schwanz und das klopsige Aussehen erregen Ekel, Abscheu und den einzigen Wunsch, dass das Biest verschwindet. Sofort und auf Nimmerwiedersehen. Am besten die Ratte stirbt und mit ihr die ganze Brut, denn im weithin aufgeklärten Mitteleuropa, also auch in Berlin, weiß der Mensch, dass Ratten Pest und Widerlichkeiten übertragen. Und wo eine Ratte ist, ist meistens eine ganze Kolonie. Also noch mehr Ekel, Siechtum und Verfall. Dabei ekeln sich Ratten selbst offensichtlich vor gar nichts, wie ein Gang durch die Kanalisation zeigt. Sie schrecken auch vor nichts zurück.

Als Wissenschaftler einige Jahre nach den Wasserstoffbomben-Versuchen der Amerikaner auf dem Bikini-Atoll dorthin zurückkehrten, fanden sie die Insel übersät mit Ratten. Auch bei minus 18 Grad in Kühlschiffen zwischen argentinischem Rindfleisch fühlen sich die Tiere noch wohl und versorgen ihre daumengroßen Nachkommen in der Ladung. Dabei sind sie intelligent. Verlassen sie das Schiff, kann die Besatzung davon ausgehen, dass es sinkt. Rennen sie aus Häusern, so heißt es, droht dem Haus und seinen Bewohnern Unglück.

Das gibt zu denken, denn vor wenigen Tagen wurde eine Ratte beobachtet, die eiligen Schrittes die Zentrale der SPD-Fraktion Unter den Linden verließ. Sie verschwand durch den ruhigeren Hinterausgang. Mögen die Abgeordneten auch froh über den Abgang sein, sollte ihnen angesichts der Ratte vielleicht doch auch etwas unwohl werden. So oder so.

Ulrike Fokken

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