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Politik: Hinter den Linden: Stille Post

Es gibt Menschen, die muss man nicht gekannt haben, und solche, die hat man besser nicht gekannt. Ein solcher ist Heinz "Hein" Geggel gewesen.

Von Robert Birnbaum

Es gibt Menschen, die muss man nicht gekannt haben, und solche, die hat man besser nicht gekannt. Ein solcher ist Heinz "Hein" Geggel gewesen. Das lag an seinem Job. Geggel war Mitglied im Zentralkomitee der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und dort Leiter der Abteilung Agitation. In der Praxis hieß das: Hein Geggel hat den Redakteuren der Zeitungen und der Rundfunk- und Fernsehsender Tag für Tag mitgeteilt, was sie zu denken hatten. Die bemerkenswerte Einheitlichkeit der deutsch-demokratischen Berichterstattung - sie war Hein Geggels Werk.

Schnitt. Zwölf Jahre später. Wir befinden uns an einem Ort, an dem viele Journalisten beieinander sind und gerade, sagen wir, einen Auftritt des Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber erlebt haben. Oder des Bundeskanzlers Gerhard Schröder. Gleich werden sie alle in ihre Redaktionen zurückkehren und die Begebenheit beschreiben. Vorher stehen sie aber noch in kleinen Grüppchen zusammen und sinnieren über das Erlebte. "War das nun ein guter Auftritt?" fragt einer in die Runde. Ein zweiter fand den Redner nervös und zappelig: "Wie der mit seinen Händen rumgerudert ist!" Ein dritter fand den Satz zur Zuwanderung ganz schlau. Allmählich entsteht ein Common Sense: Der Auftritt war so la-la. Genau das steht anderntags in allen Zeitungen.

Einer aber, der den real existierenden sozialistischen Journalismus noch selbst erlebt hat, hat neulich kopfschüttelnd so eine Runde bei der Arbeit betrachtet. "Wenn das der Hein Geggel gewusst hätte", hat er gesagt, "dass er sich gar nicht so hätte anstrengen müssen! Das erledigt doch viel effektiver die stille Post."

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