zum Hauptinhalt

Politik: Hinter den Linden: Vollmundig

Für öffentliche Akte der Solidarität, die etwas hermachen, hat die Politik eine Verhaltensweise entwickelt, die als "demonstrativer Schulterschluss" bezeichnet wird. Dafür ist es nicht nötig, dass sich mehrere Menschen tatsächlich Schulter an Schulter hinstellen oder setzen.

Für öffentliche Akte der Solidarität, die etwas hermachen, hat die Politik eine Verhaltensweise entwickelt, die als "demonstrativer Schulterschluss" bezeichnet wird. Dafür ist es nicht nötig, dass sich mehrere Menschen tatsächlich Schulter an Schulter hinstellen oder setzen. Es reicht, wenn sie etwas gemeinsam tun. Es funktioniert aber nur, wenn man die Medien vorher informiert hat, wobei Fotografen besser als schreibende Journalisten geeignet sind. Schulterschlüsse machen sich im Bild einfach schöner als rein verbal. So kommt es, dass von einem liberalen demonstrativen Schulterschluss vom vergangenen Montag zwar viele Fotos existieren, jedoch keine einzige Agenturmeldung. Bei dem Vorgang handelte es sich um ein demonstratives Schauessen, Schulter an Schulter, sozusagen. Mit dabei waren Guido Westerwelle, der liberale Generalsekretär, der angesichts einer Kamera sein Lächeln so schön anknipsen kann, und Parteichef Gerhardt, der eher ein schwacher Lächler ist. Das FDP-Präsidium hat demonstrativ Tafelspitz gegessen. Das war als ein Akt der Solidarität mit dem deutschen Rind zu werten und sollte dessen unproblematische und folgenlose Verdaubarkeit unter Beweis stellen. Genau daran zweifeln viele Verbraucher, seit es in der angeblich von BSE unbefallbaren Bundesrepublik immer mehr Fälle dieses Wahnsinns gibt. Wir gehen davon aus, dass Westerwelles und Gerhardts Küchenchef mit Sicherheit weiß, woher sein Rindfleisch stammt. In Restaurants dieser Qualitätsstufe kann man leicht demonstrative Schauessen veranstalten. Dem Durchschnittsverbraucher hilft das leider gar nichts ...

Gerd Appenzeller

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false