zum Hauptinhalt

Politik: Hinter freundlichen Linien

Die Alliierten rücken Tag um Tag vor – zurück bleibt die Zivilbevölkerung, die Saddams Schergen fürchten muss

Fernsehbilder aus irakischen Krankenhäusern und Berichte über Tote und Verletzte setzen die Alliierten weiter unter politischen Druck. Großbritanniens Verteidigungsminister Geoff Hoon versicherte am Donnerstag im Unterhaus, man unternehme alles, um die Zahl der Opfer unter der Zivilbevölkerung so niedrig wie möglich zu halten. Er warnte, irakische Darstellungen ohne eingehende Untersuchung für bare Münze zu nehmen. Der britische Innenminister David Blunkett übte derweil in New York scharfe Kritik an den internationalen Medien. Journalisten würden den Berichten, die „hinter den feindlichen Linien“ gedreht worden seien, den gleichen Glauben schenken wie denen, die auf Seiten der Koalitionskräfte gedreht würden. Damit würden beide Seiten behandelt, als seien sie „moralisch gleichwertig“.

Korrespondenten hatten diese Woche über Zivilisten in einem Krankenhaus in Hilla, 60 Kilometer südlich von Bagdad, berichtet, die möglicherweise Opfer amerikanischer Streubombenabwürfe geworden waren. Aus dem Krankenhaus wurde berichtet, jedem dritten Verletzten hätten Arme oder Beine abgenommen werden müssen. Allein ein Angriff im Nadir-Bezirk habe Ärzten zufolge 30 Ziviltote gefordert. Weniger wird über Opfer des irakischen Regimes bekannt – wie über das Mädchen, das laut amerikanischer Darstellung von Mitgliedern der Baath-Partei gehängt wurde, weil sie amerikanischen Soldaten zuwinkte.

Kritisiert wird vor allem die Taktik der Koalition, weite Gebiete zu überrollen, ohne die Orte wirklich zu übernehmen und für Sicherheit und Ordnung zu sorgen. Erst am Donnerstag, zwei Wochen nach Kriegsbeginn, konnten die UN den Hafen Umm Kasr ein paar Kilometer hinter der kuwaitischen Grenze zum „sicheren Gebiet“ für Hilfsoperationen erklären. „Die Zivilbevölkerung wird durch diese Strategie in einer verwundbaren Situation zurückgelassen“, gibt Michael Codner, Direktor für Militärstudien am regierungsnahen Royal United Services Institute, zu. Premier Tony Blair hat daher die Iraker aufgefordert, sich erst gegen Saddam zu erheben, wenn die Koalition auch wirklich in der Lage sei, ihnen zu Hilfe zu eilen.

Obwohl die genaue Zahl der Ziviltoten unklar ist, rechnet Codner damit, dass sie im Vergleich zu anderen jüngsten Kriegen „bescheiden“ sein wird. Die Strategie sei darauf angelegt, die „am wenigsten schlimme Option“ zu wählen. Große Teile des Südiraks befinden sich in einem Zwischenstadium – überrannt, aber nicht gesichert, Schauplatz von Kampfhandlungen, ohne klare Front. Die Kontrolle des Regimes ist reduziert, aber die Baath-Partei und Truppen üben Druck auf die Bevölkerung aus. Statt auf militärische Konfrontation setzt Saddam Hussein auf eine „asymmetrische“ Kriegsführung mit Überfällen auf Nachschublinien, Heckenschützen und Selbstmordattentätern. Panzer und Munition werden nach britischer Darstellung in Schulen, Krankenhäusern oder gar Moscheen positioniert.

Britische Medien haben gezeigt, wie Menschen von Saddams Truppen und Parteigängern als Schutzschilde benutzt werden. Fedajin-Kämpfer positionieren sich so, dass Zivilisten in die Schusslinie der Streitkräfte geraten. Dies zwingt die Invasoren in Distanz zur Bevölkerung und erschwert die Kontaktaufnahme mit den Zivilisten.

Das Paradebeispiel ist Basra, in das das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) am Freitag erste Hilfslieferungen schicken will. Hier verzichteten die Briten mit ihrer Kombination aus „raid and aid“, vereinzelten Attacken auf Repräsentanten des Regimes und Hilfe für die Bevölkerung, darauf, die völlige Kontrolle über die Stadt zu bekommen. Laut Codner würde dies viele Opfer fordern.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false