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Hintergrund: „Chronik eines angekündigten Todes“

Auch nach dem Urteil im Prozess gegen die Mörder des armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink gehen Beobachter davon aus, dass die wahren Umstände der Tat weiter vertuscht werden.

Auch nach dem Urteil im Prozess gegen die Mörder von Hrant Dink könnten sich die mutmaßlichen Drahtzieher des Mordes in den Reihen der Sicherheitskräfte nach wie vor sicher fühlen, sagen Kritiker. Beobachter wie die unabhängige Journalistin Banu Güven sehen systematische Versuche, die wahren Umstände der Tat zu vertuschen. „Die Hintermänner sind genau jene, deren Aufgabe es wäre, die Hintergründe zu ermitteln“, sagte Güven dem Tagesspiegel.

„Es war wie die Chronik eines angekündigten Todes“, sagt Güven über das Mordkomplott gegen Dink. „Die Beamten wussten Bescheid, dass diese Gruppe Hrant töten wollte, sie wussten sogar, welcher Waffentyp benutzt werden sollte.“

Es gebe klare Hinweise auf enge Kontakte zwischen der Polizei und den Tätern. Güven erinnert auch daran, dass einige Polizeibeamte mit dem kurz nach dem Mord festgenommenen Todesschützen Ogün Samast für Erinnerungsfotos posierten. Im Istanbuler Prozess gegen die Mörder Dinks zeigte sich bald, dass die Behörden nicht die Absicht hatten, diese Zusammenhänge aufklären zu lassen. So ließen sich staatliche Stellen wie die Telekommunikationsbehörde sehr viel Zeit mit der Herausgabe von Telefondokumenten an das Gericht. Die von der Familie Hrant Dinks

geforderte Eröffnung von Ermittlungsverfahren gegen hohe Beamte wurde abgelehnt. Diese Taktik habe dazu geführt, dass sich der Prozess immer weiter hinzog, sagte Güven: „Es gab Probleme mit der Beweisaufnahme, weil die Behörden die angeforderten Beweisunterlagen nicht liefern wollten.“ Trotz aller Bemühungen der Dink-Anwälte hatte Güven deshalb nicht damit gerechnet, dass der Prozess Licht ins Dunkel bringen werde. „Die Leute, die jetzt vor Gericht stehen, werden nach ein paar Jahren freigelassen“, sagte sie. „Vielleicht können sie dann sogar mit einem Heldenempfang rechnen.“ Die militant-nationalistische Mentalität, die hinter dem Mord stehe, sei nach wie vor lebendig, betonte Güven. Deshalb bestehe die Gefahr, „dass das immer wieder passieren kann“.

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