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Hintergrund: Die Grenze zwischen Rafah und Ägypten

Seit die Hamas die Fatah von der Grenze zwischen Ägypten und Palästina vertrieben hat, sind die Grenzübergänge geschlossen. Ein Teil der arabischen Welt ist empört und wirft Präsident Mubarak vor, auf der Seite Israels zu stehen.

Schwere Explosionen sind zu hören, immer wieder steigen Rauchpilze auf, über dem Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen kreist heulend eine Drohne. Zum wiederholten Mal bombardieren israelische Kampfjets seit Beginn des Krieges den so genannten Philadelphia-Korridor einem knapp 14 Kilometer langen Streifen Niemandsland hinter der ägyptischen Grenzmauer. Hier verlaufen die mehr als 800 Tunnel zwischen dem palästinensischen und ägyptischen Teil der Stadt Rafah, durch den der Gazastreifen seit Beginn der Blockade durch Israel im Juni 2007 zum Teil versorgt wurde. Die Hälfte, glaubt der israelische Generalstab, ist inzwischen zerstört. Doch längst nicht alle. Manche dieser Tunnel sind über fünfzehn Meter tief und einen Kilometer lang, mit Stromversorgung und Telefonverbindung zur anderen Seite. Durch andere führen Pipelines für Benzin und Diesel. Ob Lebensmittel, Schafe oder Autoteile -- alles gelangte vor dem Krieg unter der Erde auf die andere Seite -- auch Waffen, Panzerabwehrraketen und Sprengstoff.

Die offizielle Grenzstation nebenan jedoch ist seit der Machtübernahme durch die Hamas praktisch geschlossen. Nach dem ausgehandelten Grenzvertrag zwischen Ägypten, Israel und der Palästinensischen Selbstverwaltung teilen sich Ägypten und die Fatahregierung Kontrollen, überwacht von europäischen Beobachtern. Israel behielt das Recht, über Kameras das Geschehen an der Grenze zu überwachen und Einwände gegen Personen zu erheben, die passieren wollten. Doch seit Sommer 2007 sind die Europäer abgezogen, die Fatah von Hamas aus dem Gazastreifen vertrieben. Und Ägyptens Präsident Hosni Mubarak weigerte sich, die Hamas auf der palästinensischen Seite als neuen Grenzpartner zu akzeptieren. Kairo steht auf dem Standpunkt, solange das Abkommen nicht mehr erfüllt werden kann, bleibt der Übergang dicht - was seit Beginn des Krieges vor 11 Tagen immer mehr Menschen in der arabischen Welt erbittert. Auf zahlreichen Kundgebungen warfen Demonstranten Mubarak vor, mit Israel gemeinsame Sache zu machen. "Mubarak, worauf wartest du", skandierten die Menschen in Kairo. "Mubarak ist ein Esel", riefen die Leute in Marokko.

Auf ägyptische Initiative rücken nun die illegalen Tunnel und die Regelung für den Rafah-Übergang mit ins Zentrum der Verhandlungen über einen Waffenstillstand. Tony Blair, Sondergesandter des Nahostquartetts, erklärte, wenn die Schmuggelröhren geschlossen würden "könnte man sehr schnell einen Waffenstillstand vereinbaren". Präsident Hosni Mubarak lud für Mittwoch eine israelische Verhandlungsdelegation nach Sharm El Sheikh ein, um die "Sicherheit an der Grenze zwischen Ägypten und Gaza zu diskutieren". Israels Ministerpräsident Ehud Olmert reagierte verhalten positiv und erklärte bei einem Besuch der Stadt Sderot, die "terroristischen" Raketenangriffe und der Waffenschmuggel von Ägypten nach Gaza müssten aufhören, bevor Israel seine Kampfhandlungen beende.

Kairo steht vor einem Dilemma. Einerseits möchte auch Mubarak der Hamas die Waffenversorgung abschneiden. Dann aber müsste er über seinen Grenzübergang künftig auch die offizielle Versorgung der übervölkerten Enklave garantieren. Bei der nächsten israelischen Blockade bliebe die gesamte Belieferung des Küstenstreifens komplett an Ägypten hängen. Und angesichts der innerpalästinensischen Unversöhnlichkeit ist es nur noch ein kleiner Schritt, bis Gaza auch politisch de facto wieder an Ägypten fällt -- wie vor dem Sechstagekrieg 1967. Eine Hamas-Emirat als ägyptische Westprovinz -- für die Herrschenden am Nil ein Alptraum.

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