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Hintergrund: Terroristische Schläfer in Norddeutschland

Hamburg rückte bereits unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 in den Focus der Ermittler. Vermutlich drei der vier in den USA entführten Flugzeuge wurden von Terroristen gelenkt, die in Hamburg lebten und studierten.

Hamburg/Kiel - Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft hatte sich um den Kopf der Entführer, Mohammed Atta, und seine Wohnung die «Hamburger Zelle» gebildet. Jetzt erstreckt sich das Schläfergebiet auch auf Schleswig-Holstein.

Am Donnerstag nahmen die Ermittler einen in Kiel lebenden mutmaßlichen Unterstützer des Terrornetzwerks Al Qaida in Hamburg fest. Der 36-Jährige Redouane E. H. ist deutscher Staatsangehöriger marokkanischer Herkunft und soll «über zahlreiche Kontakte zum internationalen Netzwerk gewaltbereiter Dschihadisten» unter anderem in Syrien, Algerien und im Irak verfügen. Die Bundesanwaltschaft verdächtigt ihn, Al Qaida durch Rekrutierung von Kämpfern zur Begehung von Selbstmordattentaten im Irak und durch Geldzahlungen unterstützt zu haben.

Außerdem soll Redouane E. H. direkte Verbindungen zur Hamburger Terrorzelle haben. Er fungierte demnach als Nachrichtenmittler für den flüchtigen Said Bahaji und dessen in Hamburg wohnende Ehefrau. Said Bahaji ist dringend verdächtig, Mitglied der Hamburger Zelle um Atta gewesen zu sein. Der mutmaßliche Cheflogistiker der Anschläge vom 11. September ist untergetaucht.

"Konspirativ arbeitende Zelle"

Die «konspirativ arbeitende Zelle» in der Hansestadt soll aus den drei Todespiloten Atta, Marwan Alshehhi und Ziad Jarrah, den mutmaßlichen Attentätern Bahaji und Zakariya Essabar sowie dem von den Amerikanern an unbekanntem Ort gefangen gehaltenen Ramzi Binalshibh bestanden haben. Auch der im August 2005 vom Hanseatischen Oberlandesgericht wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu sieben Jahren Haft verurteilte Marokkaner Mounir al Motassadeq soll dieser Gruppe angehört haben. Im Oktober verhandelt der Bundesgerichtshof über die Revision des Verfahrens.

Im Oktober 2002 war auch Abdelghani Mzoudi in Hamburg wegen des dringenden Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verhaftet worden. Ende 2003 wurde er jedoch vom Hanseatischen Oberlandesgericht freigesprochen.

Im September 2003 rückte der Hamburger Kaufmann Mamoun Darkazanli in den Fokus der Ermittler. Laut Ermittlungen der spanischen Behörden gilt der Deutsch-Syrer als «Schlüsselfigur von Al Qaida». Er soll das Terrornetzwerk seit 1997 in Spanien, Deutschland und Großbritannien finanziell und logistisch unterstützt haben. Das Amtsgericht Madrid hatte am 16. September 2004 gegen Darkazanli einen Europäischen Haftbefehl erlassen. Das Bundesverfassungsgericht hatte das deutsche Gesetz zur Umsetzung des EU-Haftbefehls aber für nichtig erklärt, so dass Darkazanli auf freien Fuß gesetzt werden musste.

Experten vermuten, dass in der Bundesrepublik zahlreiche Islamisten leben, die ausgestattet mit deutschen Papieren unauffällig als Kaufleute, Handwerker oder Ärzte leben. Werden sie vom Terrornetzwerk «aktiviert», könnten die so genannten Schläfer sofort zuschlagen. (Von ddp-Korrespondent André Klohn)

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