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Bundeskanzlerin Angela Merkel 2007 in Afghanistan - der Einsatz hat ihre Kanzlerschaft begleitet.

© DPA

Historiker rechnet mit Merkels Außenpolitik ab: „Das Afghanistan-Debakel ist nur die Spitze des Eisberges“

Das Scheitern in Afghanistan wirft die Frage nach der außenpolitischen Bilanz der Kanzlerin auf. Ein kritisches Resümee.

Michael Wolffsohn (74) ist ein deutscher Historiker und Publizist, der rund drei Jahrzehnte an der Universität der Bundeswehr München Neuere Geschichte gelehrt hat.

Das Afghanistan-Debakel ist „nur“ die Spitze des Eisberges Merkel´scher Außenpolitik. Das sei kurz erläutert, wenngleich eine außenpolitische Bilanz der Merkel-Kanzlerschaft in wenigen Worten schwierig ist.

Eigentlich war Angela Merkel Kanzlerin und Außenministerin zugleich. Sie bestimmte den Kurs mehr als ihr jeweiliger Minister. Egal, ob Frank-Walter Steinmeier, Guido Westerwelle, Sigmar Gabriel oder Heiko Maas. Dieser trägt zwar für das jetzige Rettungschaos die Hauptverantwortung, doch die Richtlinien deutscher Afghanistanpolitik bestimmte sie.

Als 2008 Teile der SPD für einen Rückzug plädierten, um der Linken zu gefallen, war sie bereit, die Große Koalition platzen zu lassen. So wichtig war und blieb ihr die internationale ISAF-„Sicherheits- und Wiederaufbaumission“ in Afghanistan.

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Das Verhältnis zu den USA stellte sie, wie traditionell die CDU, verbal, aber nicht faktisch in den Mittelpunkt ihrer Außenpolitik. Es ist aber zerrüttet. Nicht nur wegen Trump, denn auch vor und nach ihm sind Deutschland und Europa für die USA weniger wichtig als der Pazifikraum. Unverändert sind wir jedoch machtpolitisch von den USA abhängig.

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Weiter Schoßhund der USA?

Das erkannte Merkel und benannte es offen und offensiv nach dem G-7-Gipfel im italienischen Taormina 2017. Deutschland und Europa müssten sich unabhängiger machen, sagte sie. Geschehen ist – außer einer bedeutungslosen Charmeoffensive mit Kanada und Mexiko - so gut wie nichts, und gerade in Bezug auf Afghanistan blieb Deutschland der Schoßhund der USA.

Michael Wolffsohn gilt als Kritiker der Kanzlerin.
Michael Wolffsohn gilt als Kritiker der Kanzlerin.

© imago/Jürgen Heinrich

Eine doppelbödige Politik - von Russland über China bis Nahost

Doppelbödig die Russland-Politik. Einerseits begab sich Deutschland unter Merkel in energiepolitische Abhängigkeit von Russland. Stichwort North Stream 1 und 2. Andererseits will man durch Sanktionen dieses mächtige Russland wegen der Krimannexion und des Ukrainekrieges – zu einer Kursänderung bringen. Widersprüchlicher geht es nicht.

Merkels Chinapolitik stand unter dem Primat der Wirtschaft. Zugleich wurde versucht, Peking zum Beachten von Menschenrechten zu bewegen. Angesichts des ökonomischen Primats reine Fassade, um nicht zu sagen „Heuchelei“. Das wurde noch deutlicher, indem sich Berlin als der, im Vergleich zu Amerika, nette Westpartner präsentierte.

Doppelbödig auch Merkels Nahostpolitik. Verbal unbegrenzter Beistand für Israel. Faktisch – durch das Atomabkommen mit dem Iran – die Begünstigung tödlicher Gefahren für den Jüdischen Staat. Konventionell durch dieses Abkommen, durch das der Iran Israel und andere Westpartner umzingeln konnte. Nuklear wurde die tödliche Bedrohung verschoben, nicht aufgehoben. Ähnlich undurchdacht ist regional die internationale „Aufbaumission“ im Irak. Den Flüchtlingsstrom konnte sie nicht bremsen. Ebenso wenig die deutsche Syrienpolitik. 2012 hat die Merkel-Regierung den Plan einer international gesicherten Schutzzone in Nordwest-Syrien vereitelt. Die Folge: Die Flüchtlingswellen von 2014/15 und die Besetzung dieser Region durch Erdogans Türkei.

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Warum der Mali-Einsatz?

Den Arabischen Frühling hat Merkel, wie fast alle, als Zeichen der Hoffnung verstanden. Richtig erkannt hatte sie 2011, wie ihr FDP-Außenminister Westerwelle, dass die militärische Beseitigung von Diktator Gaddafi allein Libyens Probleme nicht lösen würde.

Warum aber der Mali-Einsatz, wie der in Afghanistan, ohne jegliche Strategie angepackt und durchgeführt auch unsere Sicherheit fördern solle, bleibt Merkels Geheimnis. Auch dieses künftige Debakel hat sie letztlich mitzuverantworten.

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