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Auch in der Tunesischen Botschaft in Berlin wurde bereits gewählt.

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Update

Historische Abstimmung: Schlangen vor Wahllokalen in Tunesien

Im Mutterland des Arabischen Frühlings finden am Sonntag die ersten freien Wahlen in der Geschichte Tunesiens statt. Die EU hat 180 Wahlbeobachter entsandt.

Als die Tunesier am 14. Januar ihren Präsidenten verjagten, war der Beifall für den Mut der Massen groß. Am Sonntag gab es nun das zweite historische Ereignis des Jahres: Die ersten freien Wahlen der Staatsgeschichte.

In Tunesien haben am Sonntag die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes stattgefunden. Neun Monate nach dem Sturz von Langzeitherrscher Zine el Abidine Ben Ali durften rund sieben Millionen Wahlberechtigte die 217 Mitglieder einer verfassungsgebenden Versammlung bestimmen. Diese soll eine neue Übergangsregierung benennen und ein Grundgesetz erarbeiten. Spätestens in einem Jahr sind dann Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geplant.

Vor vielen Stimmlokalen bildeten sich bereits kurz nach der Öffnung lange Schlangen. „So etwas hat es in Tunesien noch nie gegeben“, berichteten Augenzeugen. Nach Angaben der EU-Wahlbeobachtungsmission kam es vereinzelt auch zu Chaos. „Die Wahllokale sind aber überall offen“, sagte Delegationsleiter Michael Gahler.

Mit Spannung wird erwartet, welches politische Lager in der verfassungsgebenden Versammlung die Mehrheit stellen wird. Für die 217 Sitze kandidieren 11 618 Kandidaten. Umfragen zufolge könnte die islamistische Ennahdha-Bewegung von Rachid Ghannouchi mit 20 bis 30 Prozent der Stimmen die stärkste Einzelpartei werden. Sie hat allerdings nur wenige mögliche Koalitionspartner und damit nur geringe Aussichten, die politische Führung zu übernehmen.

„Das ist ein historischer Tag. Ich bin 70 Jahre alt und es ist das erste Mal, dass ich wähle“, sagte Ghannouchi am Sonntagmorgen der dpa. „Ich erwarte, dass unsere Bewegung das beste Ergebnis holen wird. Wir werden aber auch dem Sieger gratulieren, wenn er nicht Ennahdha heißt.“ Ghannouchi dementierte zugleich Medienberichte, wonach er im Fall einer Niederlage mit Protestaufrufen gedroht habe. „Ich habe nur vor Wahlfälschungen gewarnt“, sagte der Politiker.

Erste Ergebnisse aus den 27 tunesischen Wahlkreisen sollen bereits am Sonntagabend bekanntgegeben werden. Ein vorläufiges Endergebnis wird für Montag erwartet. Die EU entsandte insgesamt 180 Wahlbeobachter. Der Ablauf der Wahlen wird auch im Ausland mit großem Interesse verfolgt. Im Januar hatten die Tunesier als erstes Volk in der Region erfolgreich gegen die autoritäre Herrschaft ihrer Führung rebelliert. Tunesien wird deshalb auch als Mutterland des „arabischen Frühlings“ bezeichnet. Der gestürzte Herrscher Ben Ali lebt seit seiner Vertreibung in Saudi-Arabien im Exil.

Seit der Unabhängigkeit von Frankreich im Jahr 1956 gab es mit Habib Bourguiba und Ben Ali gerade mal zwei Präsidenten. (dpa)

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