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Der verfassung zufolge darf Aung San Suu Kyi nicht Präsidentin werden, weil ihre beiden Söhne ausländische Pässe haben.

© REUTERS

Historische Wahl am Sonntag: Aung San Suu Kyi will Myanmar führen

Die Verfassung mag ihr das Präsidentenamt verwehren, aber Myanmars Oppositionsführerin sieht darin kein Hindernis auf dem Weg zur Macht.

Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist kurz vor der historischen Parlamentswahl in Myanmar auf Konfrontationskurs zur militärnahen Regierungspartei USDP gegangen. Sie äußerte am Donnerstag den Verdacht auf Wahlfälschung und überraschte mit einer gewagten Interpretation der von USDP-Politikern geschriebenen Verfassung. Sie werde bei einem Sieg ihrer Partei an diesem Sonntag die Regierung führen, bekräftigte Suu Kyi (70): „Wir haben einen Kandidaten für das Präsidentenamt. Ich werde über dem Präsidenten stehen.“

Das neue Parlament wählt Anfang 2016 den Präsidenten. Das Amt ist der Friedensnobelpreisträgerin aber verwehrt, weil ihre beiden Söhne ausländische Pässe haben. Laut Verfassung führt der Präsident die Regierungsgeschäfte. „Völlig unmöglich, dass sie die Regierung führt“, konterte der amtierende USDP-Vorsitzende Htay Oo. „Sie sollte der Verfassung Respekt zollen“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Träumt sie etwa von einer Marionette als Präsident?“ Ein überwältigender Wahlsieg, wie Suu Kyi ihn erwarte, sei unmöglich.

Dem Militär sind laut Verfassung ein Viertel der Sitze vorbehalten

Umfragen gibt es in dem armen Land in Südostasien nicht. „Wir wollen 100 Prozent (der Sitze), unser Ziel sind nicht 80 oder 90 Prozent“, sagte Suu Kyi. In Myanmar gilt das Mehrheitswahlrecht, wonach ein Wahlkreis an den Kandidaten geht,der die meisten Stimmen bekommt. Dem Militär sind laut Verfassung ein Viertel der Sitze vorbehalten. Deshalb müsste eine Partei für eine einfache Mehrheit mindestens zwei Drittel der zur Wahl stehenden Sitze gewinnen.

Es sind die ersten freien Parlamentswahlen in Myanmar seit 1990. Damals gewann Suu Kyis Nationalliga für Demokratie (NLD) 80 Prozent der Sitze. Das Militär ignorierte die Wahl aber. Es richtete erst 2010 wieder Wahlen aus, die gemessen an üblichen Standards weder frei noch fair waren. Daran nahm die NLD nicht teil. Die USDP bekam 76 Prozent der Sitze.

Im Garten des Hauses, in dem sie bis nach den Wahlen 2010 fast 15 Jahre unter Hausarrest stand, empfing Suu Kyi jetzt mehr als 200 Journalisten aus aller Welt. Sie gab sich gelassen und humorvoll. Als ein Kameramann die Sicht versperrte, meinte sie: „Demokratie heißt auch, an andere zu denken.“ „Ich bin besorgt darüber, wie weit die Behörden und die der USDP Nahestehenden gehen werden, um die Wahl zu gewinnen“, sagte Suu Kyi. „Wir haben Informationen, dass es bei den schon abgegebenen Stimmen illegal zuging. (...) Der Prozess ist jetzt schon alles andere als frei und fair.“

Präsident Thein Sein habe unerlaubterweise für die USDP Wahlkampf, so ein Vorwurf

Die NLD habe Beschwerde eingelegt, weil Präsident Thein Sein für die USDP Wahlkampf gemacht habe. Das sei obersten Würdenträgern verboten. Suu Kyi nannte keine Einzelheiten zu bereits abgegebenen Stimmen, aber Kandidaten anderer Parteien argwöhnen, dass Parteigänger der USDP etwa Dorfgemeinschaften einschüchtern und dort alle Stimmzettel selbst ausfüllen. „Wer hier Maßstäbe wie in der Schweiz oder Norwegen anlegt, wird enttäuscht“, sagte der Leiter der EU-Wahlbeobachterdelegation, Alexander Graf Lambsdorff. Die EU beobachtet den Wahlgang mit mehr als 150 Mitarbeitern. Lambsdorff wollte am Dienstag nach der Wahl erste Ergebnisse über den Ablauf vorlegen.

Die EU beobachtet den Wahlgang mit mehr als 150 Mitarbeitern

Erneut vermied es Suu Kyi, die Diskriminierung der muslimischen Minderheit der Rohingya anzuprangern. Das würde Stimmen kosten, denn die große buddhistische Mehrheit im Land findet es richtig, dass den Rohingya die Staatsbürgerschaft verweigert wird. Nach schweren Unruhen mit Dutzenden Toten 2012 wurden 140.000 Rohingya aus ihren Dörfern vertrieben und in Internierungslager gesteckt. „Man darf die Lage nicht übertreiben“, sagte Suu Kyi. „Wenn die NLD gewinnt, verspreche ich, dass die Menschenrechte von jedem, der in diesem Land lebt, respektiert werden.“ (dpa)

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