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Die Flut hat vielerorts große Schäden angerichtet. Doch woher kommt das Geld für den Wiederaufbau?

© dpa

Hochwasser in Deutschland: Regierung will finanzielle Hilfe bei der EU beantragen

Deutschland ist der größte Nettozahler der EU. Nach der Flutkatastrophe hofft die Regierung deshalb jetzt auch auf Hilfe aus Brüssel. Doch die Gelder im Solidaritätsfonds sind blockiert.

Die Nachrichten sind widersprüchlich. Die von der Flutkatastrophe betroffenen Staaten können mit Geld aus dem Solidaritätsfonds rechnen, versprach vor einigen Tagen der EU-Kommissar für Regionalpolitik, Johannes Hahn. Er müsste es eigentlich wissen, ist er doch für den Fonds zuständig. Kurze Zeit später jedoch widersprach ihm Haushaltskommissar Janusz Lewandowski über die Medien: Die Kassen seien leer, die EU habe keine Gelder, um den betroffenen Staaten zu helfen. Wiederum einige Tage später lässt er ausrichten, er sei verkürzt zitiert worden. Die Verwirrung ist trotzdem perfekt.

Der Europäische Solidaritätsfonds wurde nach der letzten Flutkatastrophe 2002 gegründet. Er soll Mitgliedstaaten helfen, nach Naturkatastrophen den Wiederaufbau zu finanzieren. In seiner Beschreibung heißt es, von dem Geld könnten Aufräumarbeiten, kurzfristige Infrastrukturhilfen wie zum Beispiel Telefon- oder Stromleitungen, aber auch Notunterkünfte bezahlt werden. Gleichzeitig wird betont, dass sich der Fonds nicht zur Soforthilfe eigne. Aktuell wird gerade über Anträge vom November 2012 entschieden, mit Geldern für die aktuelle Flut wäre also auch erst in drei bis vier Monaten zu rechnen. In den vergangenen zehn Jahren wurden 23 verschiedene europäische Länder aus dem Fonds mit rund 3, 2 Milliarden Euro unterstützt. Italien erhielt nach dem Beben in den Abruzzen beispielsweise knapp 500 Millionen Euro.

Wer aus dem Fonds wann welches Geld bekommt, ist genau geregelt. Betroffene Länder müssen innerhalb von zehn Wochen nach Beginn der Katastrophe Hilfsanträge stellen. Der Schaden muss zu diesem Zeitpunkt eine bestimmte Schwelle übersteigen, für Deutschland liegt die Grenze bei 3,6 Milliarden Euro. Momentan werden die Schäden in Deutschland bereits auf sechs bis zehn Milliarden Euro geschätzt.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) kündigte am Dienstag an, gemeinsam mit Tschechien bei der Europäischen Union Gelder zum Wiederaufbau zu beantragen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte bereits am vergangenen Freitag im Bundesrat, sie erwarte "auch europäische Solidarität". Deutschland sei der größte Nettozahler in der EU und müsse sich nun auch an die Gemeinschaft wenden können. Nach Aussagen von Europaabgeordneten hat zudem auch das Bundeskabinett bereits darüber beraten, Mittel zu beantragen. Die Kommission prüft den Antrag, wenn er berechtigt ist, geben Rat und Parlament die Mittel frei.

Aber über wie viele Mittel verfügt der Fonds überhaupt? Maximal, so ist es festgeschrieben, sind für den Fonds im Jahr eine Milliarde Euro vorgesehen. Aus der Kommission für Regionalpolitik heißt es: Davon sind 2013 noch 925 Millionen Euro übrig. Doch die müssen erstmal mobilisiert werden. Momentan aber streiten sich der Europäische Rat, also die Vertreter der Mitgliedstaaten, mit dem Parlament über den Nachtragshaushalt für 2013 und den Finanzplan bis 2020. Weil sich die Institutionen damit gegenseitig blockieren, fürchtet Haushaltskommissar Lewandowski nun, das Geld könnte nicht rechtzeitig zusammenkommen. Die nächsten Haushaltsdebatten wird es im Europäischen Parlament Anfang Juli geben. Aber dass es keine Hilfe für die Flutgebiete geben wird, will Lewandowski so nicht mehr gesagt haben.
Aus dem Team Regionalpolitik-Kommissar Johannes Hahn heißt es ohnehin: Der Fonds ist außerhalb des normalen Haushalts angesiedelt. Also egal, wie sehr sich die Parteien sonst streiten, diese Mittel müssten sie bereitstellen. "Wir werden uns auch im Parlament dafür einsetzen, dass die Mittel bereitgestellt werden", sagte der Europaabgeordnete Michael Theurer (FDP), der ebenfalls eine europaweite Unterstützung fordert. "Die Bundesregierung muss dann im Rat dasselbe tun."

Die Kritik, dass die EU-Gelder im Katastrophenfall zu langsam fließen, ist in Brüssel indes auch nicht neu. Bereits 2005 wollte die Kommission den Solidaritätsfonds überarbeiten, die Schadensschwellen senken und die Auszahlung beschleunigen. Die Mitgliedstaaten entschieden sich aus Kostengründen mehrheitlich dagegen.

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