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Politik: Höchststrafe trotz Antragsflut

Motassadeqs Verteidiger versuchen alles, um eine Verurteilung zu verhindern – vergeblich Das Gericht konnte nur die Vorgaben des BGH erfüllen

Von Frank Jansen

Es war eine der längsten Sitzungen in der Geschichte des Hamburger Oberlandesgerichts. Nach zehn Stunden und neun Minuten verkündete der 7. Strafsenat am Montagabend das Urteil im Prozess gegen Mounir al Motassadeq, der von Hamburg aus den Attentätern des 11. September 2001 geholfen hatte. Das Strafmaß überraschte nicht. Der Vorsitzende Richter Carsten Beckmann hatte schon zu Beginn des dritten Prozesses gegen den Marokkaner, der seit drei Jahren in Untersuchungshaft sitzt, angedeutet, dass der Senat nur noch den harten Schuldspruch des Bundesgerichtshofs zu vollstrecken hatte.

„Der Angeklagte, der nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs der Beihilfe zum 246-fachen Mord in Tateinheit mit der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung schuldig ist, wird zu 15 Jahren Haft verurteilt“, sagte Beckmann mit fast mechanischer Stimme. Motassadeq, der eine Stunde zuvor laut seine Unschuld beteuert hatte, blickte starr vor sich hin. Der Richter fuhr fort: Alles, was für den Angeklagten spräche, werde „überstrahlt durch die Schwere der Schuld“, die er auf sich geladen habe.

Der BGH hatte im November das Urteil des Hamburger Oberlandesgerichts aus dem zweiten Prozess gegen Motassadeq teilweise aufgehoben, die Beweisführung der hanseatischen Richter aber weitgehend bestätigt. Demnach hatte der Marokkaner mit kleineren Finanztransfers den Selbstmordpiloten um Mohammed Atta Rückendeckung gegeben. Doch das Hamburger Gericht verurteilte Motassadeq im August 2005 lediglich wegen Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe und verhängte „nur“ sieben Jahre Haft. Das akzeptierte der BGH nicht und sprach den Angeklagten auch der Beihilfe zum Mord an den 246 Passagieren und Besatzungsmitglieder der vier am 11. September 2001 entführten Flugzeuge für schuldig. Die Karlsruher Richter gaben den Hamburger Kollegen auf, das angemessene Strafmaß festzusetzen. Da blieb praktisch nur die Höchststrafe übrig – 15 Jahre Gefängnis.

Die zwei Verteidiger Motassadeqs fühlten sich vor dem dritten Prozess in Hamburg „wie Boxer, die schon vor dem Kampf k.o. sind“, sagte Laszlo Anisic, einer der beiden Anwälte, dem Tagesspiegel. Doch vor allem Anisics Kollege Udo Jacob, ein älterer Jurist mit dünnem, weißen Vollbart, kämpfte in den zwei Prozesstagen, wie er selbst sagte, mit dem Mut der Verzweiflung – mit einem Anträge- Marathon mit dem Ziel, eine Aussetzung des Verfahrens zu erreichen.

Dass es bei allem Getöse im Saal auch um den grauenhaften Tod von mehr als 3000 Menschen ging, rief der US-Amerikaner Dominic J. Puopolo Jr. den Prozessbeteiligten in Erinnerung. Unter Tränen schilderte er das Schicksal seiner Mutter. Sie saß in der Maschine, die Atta lenkte. Sie habe erleben müssen, wie die Terroristen mindestens vier Passagieren die Kehle durchschnitten, sagte er. Dann sei das Flugzeug in den Nordturm des World Trade Centers gerast. Doch der Amerikaner rang sich zu einer großen Geste durch: „Ich vergebe Ihnen“, rief er Motassadeq zu. Der Angeklagte reagierte nicht.

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