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Politik: Hoffen auf Fischer

Zwei Termine bereiten den Strategen der Grünen gegenwärtig gewaltiges Kopfzerbrechen: Der Parteitag Ende November und die Abstimmung des Bundestags über einen militärischen Beitrag der Deutschen zur Terrorbekämpfung. Sie könnte schon nächste oder übernächste Woche nötig werden.

Von Hans Monath

Zwei Termine bereiten den Strategen der Grünen gegenwärtig gewaltiges Kopfzerbrechen: Der Parteitag Ende November und die Abstimmung des Bundestags über einen militärischen Beitrag der Deutschen zur Terrorbekämpfung. Sie könnte schon nächste oder übernächste Woche nötig werden. Die Aufgabe lautet: Wie schaffen es die Grünen, unter dem Eindruck der Bilder afghanischer Bombenopfer Regierungskurs zu halten und sich dabei selbst treu zu bleiben? Wie gelingt es der Fraktion, weiter an der Seite der USA zu stehen, ohne dass den Abgeordneten "der Laden um die Ohren fliegt", wie das ein führender Grünen-Politiker drastisch ausdrückt?

In der Parteiführung gibt es dazu zwei Antworten, seit Claudia Roth nach ihrer Rückkehr aus Pakistan vor fast drei Wochen eine Unterbrechung der Angriffe verlangte: Die Regierung vom Kurs der grünen Basis zu überzeugen, wie Claudia Roth das will; oder die grüne Basis vom Kurs der Regierung zu überzeugen, wie Joschka Fischer es will. Parteichef Fritz Kuhn tritt, was aufmerksam registriert wird, als Gegenspieler Claudia Roths nicht in Erscheinung. Die Fraktionsspitze steht geschlossen da - hinter ihrem Außenminister und dem Kanzler, die beide einen Bombenstopp entschieden ablehnen.

Wie lange noch? Weil nur wenige bei den durch die Kosovo-Erfahrung traumatisierten Grünen diese Frage für unberechtigt halten, wird nun heftig überlegt: Welcher Beitrag Fischers für eine Friedenslösung könnte so viel Eindruck machen, dass er dem geplagten grünen Gewissen Erleichterung verschafft? Der Länderrat der Partei hatte Militäraktionen unter einer Bedingung befürwortet: dass sie einem politischen Ziel dienen. Also müsste dieses Ziel deutlicher werden.

Nun hat Joschka Fischer mit seiner Reise durch den Mittleren und Nahen Osten ganz auf der Linie dieser Aufgabenstellung die politischen Perspektiven für Afghanistans Zukunft ausgelotet und sich, was Grüne beeindrucken müsste, intensiv um die Möglichkeiten humanitärer Hilfe gekümmert. Aber aus dem Nahen Osten kam er diesmal ohne spektakulären Vermittlungserfolg zurück. Deshalb gibt es nun Überlegungen, ob nicht weiter gehende Anstöße Fischers für eine deutsche und europäische Afghanistan-Initiative hilfreich sein könnten für die Partei. In diesem Zusammenhang wird auf die Planung für die Zeit nach dem Sieg über die Taliban verwiesen ("Post-Taliban-Prozess").

Fischer sieht sich bekanntlich als deutscher Außenminister und nicht als Erfüllungsgehilfe seiner Partei im Auswärtigen Amt. Deshalb wird er keine Initiative starten, die nicht zuerst deutschen Interessen dient. Aber längst haben unter Fischers Mitwirkung die EU-Außenminister ihre Pläne zur Zukunft Afghanistans abgestimmt und gegenüber den USA und den UN ins Spiel gebracht. Deutschland als größtes Land der EU, so heißt es aus dem Auswärtigen Amt, wird bei dieser Gestaltungsaufgabe nicht übergangen werden. Hilfreich für die Grünen könnte es deshalb sein, dass die UN-Generalversammlung Mitte November noch vor dem Parteitag der Grünen zusammenkommt und voraussichtlich die Pläne zur Zukunft Afghanistans präzisiert - mit prominenter und demnach für die Grünen nützlicher deutscher Beteiligung, wenn sich die Vorhersagen aus dem Auswärtigen Amt erfüllen.

Zunächst aber muss der Parteirat am Montag darüber diskutieren, ob die Grünen tatsächlich eine Feuerpause zur Versorgung der Flüchtlinge fordern wollen, wie das Parteichefin Roth verlangt. Am Montag soll auch der Außenminister in das Gremium kommen. "Ich glaube, dass Fischers Argumente vorläufig noch durchschlagen", sagt der erfahrene Außenpolitiker Helmut Lippelt voraus, der Wert darauf legte, sich von keinem Flügel vereinnahmen zu lassen. "Aber es wird immer schwieriger."

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