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Politik: Hoffen auf Tourismus

GRIECHENLAND: Seinen vollen Namen will der 24-jährige Sakis M. nicht nennen.

GRIECHENLAND: Seinen vollen Namen will der 24-jährige Sakis M. nicht nennen. Er fühlt sich als Versager. Im Sommer 2012 schloss er ein Politikstudium in Thessaloniki ab. Seitdem sucht er Arbeit – erfolglos. Kürzlich hat ihm ein Cafébesitzer am beliebtesten Boulevard von Thessaloniki einen Job als Kellner angeboten. 450 Euro im Monat wollte er zahlen, weniger als den staatlich garantierten Mindestlohn von 511 Euro. Sakis erbat sich kurze Bedenkzeit. Als er am nächsten Tag zusagen wollte, war der Job schon vergeben.

Im Februar – neuere Zahlen liegen noch nicht vor – waren 64,2 Prozent der 15- bis 24-Jährigen in Griechenland ohne Job. Der brutale Sparkurs hat das Land tief in die Rezession getrieben. Seit 2009 hat es bereits ein Fünftel seiner Wirtschaftskraft eingebüßt, in diesem Jahr wird das Bruttoinlandsprodukt voraussichtlich um weitere 4,5 Prozent schrumpfen. Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind verheerend. Die Arbeitslosenquote stieg seit 2008 von 7,8 auf jetzt 27 Prozent. 400 000 Familien haben kein eigenes Erwerbseinkommen mehr. In den vergangenen fünf Jahren haben mehr als 150 000 griechische Wissenschaftler ihre Heimat verlassen. Trotz des Zorns vieler Griechen auf Angela Merkel, die sie als treibende Kraft des „Spardiktats“ sehen, steht Deutschland als Ziel hoch im Kurs. Allein im Jahr 2012 wanderten 34 000 Griechen nach Deutschland aus, eine Zunahme von 43 Prozent gegenüber 2011.

Auf Druck der Troika musste Griechenland im März 2012 den staatlich festgesetzten Mindestlohn um 22 Prozent kürzen. Für Jugendliche unter 25 Jahren betrug der Abzug sogar 32 Prozent. Sie bekommen nun statt 751 Euro nur noch 510,68 Euro. Die Troika verband damit die Erwartung, niedrigere Löhne könnten neue Arbeitsplätze für Jugendliche schaffen. Das hat sich nicht erfüllt. Die Jugendarbeitslosigkeit stieg seit der Kürzung des Mindestlohns von 54 auf 64,2 Prozent.

Für konkrete Maßnahmen im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit fehlt es wegen des strikten Sparkurses an den nötigen Finanzen. Zu den wenigen Initiativen gehört ein jetzt anlaufendes Förderprogramm, mit dem die Regierung 10 000 jungen Griechen im Alter von 18 bis 29 Jahren subventionierte Jobs im Tourismus anbietet. Es läuft bis Ende Oktober und umfasst 80 Stunden theoretische Ausbildung sowie 500 Stunden praktische Arbeit. Das auf 39 Millionen Euro veranschlagte und von der EU mitfinanzierte Tourismusprojekt ist Teil eines im Januar aufgelegten Programms, mit dem 45 000 arbeitslosen Jugendlichen mit Fortbildungskursen und Praktika die Tür zum Arbeitsmarkt geöffnet werden soll. Die Teilnehmer des auf fünf Monate angelegten Programms erhalten 400 Euro monatlich. Gerd Höhler

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