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Politik: Hoffnung für die Pendler

Oberstes Finanzgericht hält Kürzung der Pauschale für verfassungswidrig – nun muss Karlsruhe entscheiden

Wenn es tatsächlich eine Ohrfeige war, dann muss sie Peer Steinbrück kaum gespürt haben. Jedenfalls gibt sich das Finanzministerium ganz und gar unbeeindruckt. „Nicht überzeugend“ seien die Argumente des Bundesfinanzhofs, heißt es dort nach dem Richterspruch aus München. Die Regierung habe „keinen Anlass“, daran zu zweifeln, dass die Abschaffung der Pendlerpauschale verfassungsgemäß war. Das Bundesverfassungsgericht werde die Position des Ministers bestätigen. Und außerdem: Viele Finanzgerichte sähen das genauso und hätten entsprechende Klagen abgewiesen.

Allerdings ist der Bundesfinanzhof den Finanzgerichten übergeordnet. Und das Verdikt der Münchner klingt sehr eindeutig. Es sei unvereinbar mit dem Grundgesetz, so der Vorsitzende Richter des 6. Senats, Hans-Joachim Kanzler, dass die ersten 20 Kilometer zwischen Wohnort und Arbeitsstätte nicht mehr steuerlich absetzbar sind. Wege zur Arbeit seien rein berufliche Aufwendungen. Arbeitnehmer könnten sich ihnen nicht entziehen. Und das Gesetz verstoße auch gegen den Schutz von Ehe und Familie.

Eine „schallende Ohrfeige“ für die Finanzpolitik der Regierenden sei dieser Richterspruch, frohlockt die Opposition. Und die Lohnsteuerhilfe-Verbände sehen „einen guten Tag“ für die rund 15 Millionen Berufspendler. Anfang 2007 war die bisherige Pauschale abgeschafft und durch eine Härtefallregelung ersetzt worden. Pendler können zwar weiterhin 30 Cent je Kilometer absetzen – jedoch erst ab dem 21. Kilometer Wer weniger fährt, geht leer aus. Dadurch spart der Staat jährlich 2,5 Milliarden Euro.

Nun müsse schnellstmöglich die alte Regelung wieder her, fordert der Bund Steuerzahler. Doch so eindeutig, wie die Steuerzahlerlobby tut, ist die Sache noch lange nicht. Zwar könnte von München durchaus Signalwirkung ausgehen. Aber über die Rechtmäßigkeit von Gesetzen wird allein und letztgültig in Karlsruhe entschieden. Er hoffe zwar, dass das Urteil die dortigen Richter beeinflusse, sagte Kanzler. „Selbstverständlich“ sei das Bundesverfassungsgericht aber völlig eigenständig.

Über die Pauschale befinden wird der 2. Senat wohl in etwa einem halben Jahr. Bis dahin hängen Pendler wie Finanzminister rechtlich gesehen in der Luft. Zwar können sich erstere die Pauschale wieder ab dem ersten Kilometer auf der Lohnsteuerkarte eintragen lassen. Sollte Karlsruhe die Kürzung aber bestätigen, drohen ihnen Steuernachzahlungen. Umgekehrt hat der Minister ein finanzielles Risiko. Kippt Karlsruhe nämlich die Neuregelung, muss er Steuern zurückzahlen.

Die Juristenmeinungen jedenfalls gehen bei der Pendlerpauschale weit auseinander. Eine entscheidende Frage wird sein, ob es sich dabei um eine Subvention des Staates handelt. Dann wäre der Fiskus ziemlich frei, denn Subventionen können verändert oder auch gestrichen werden, wie etwa die Eigenheimzulage. Ob die 21-Kilometer-Regelung gleichheitswidrig ist, ist genauso wenig ausgemacht. Denn auch Pendler, die 50 Kilometer vom Arbeitsplatz entfernt wohnen, erhalten ja für ihre ersten 20 Kilometer nichts. Die Gegner der Pauschale hingegen verweisen auf das Einkommensteuergesetz. Da der Weg zur Arbeit zur Erzielung von Einnahmen nötig sei, müsse das Wegegeld vom ersten Kilometer an auch als Werbungskosten absetzbar sein. (Az.: Bundesfinanzhof VI R 17/07 und VI R 27/07)

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