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Holocaust-Überlebender Max Mannheimer im Jahr 2002 auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Dachau.

© Frank Mächler/dpa

Holocaust-Gedenken: Ein Zeitzeuge, kein Ankläger

Der Holocaust-Überlebende Max Mannheimer ist in München 96-jährig gestorben. "Wir schulden ihm Dank", sagte die Kanzlerin.

Die ihm zugeteilte Nummer, auf einen Unterarm tätowiert, hat Max Mannheimer seinen jungen Zuhörern nur selten erspart: 99728. In wie vielen Klassenzimmern mag er den Ärmel hochgekrempelt, das ihm in Auschwitz zugefügte Häftlingsmal vorgezeigt und von dem berichtet haben, was doch kaum zu beschreiben ist? Nur als Zeitzeuge, nicht als Ankläger oder gar Richter, das hat Mannheimer immer wieder betont. Und dass es ihm nicht darauf ankomme, sein Leid zu beklagen, „sondern es kommt mir darauf an, zu vermitteln, wie eine Diktatur entsteht und wie man sie verhindern kann“. Sie seien zwar nicht verantwortlich für das Geschehene, hat er den Schülern erklärt, „aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon“.

Am Freitag ist Mannheimer im Alter von 96 Jahren in einer Münchner Klinik gestorben, wie die KZ-Gedenkstätte Dachau am Sonnabend mitteilte. Er war einer der bekanntesten Zeitzeugen des Holocaust, der sich schon in den fünfziger Jahren für ein Projekt der Wiener Library in London über seine Zeit in Theresienstadt, Auschwitz und Dachau interviewen ließ, seit 1986 regelmäßig in Vorträgen und Reden als Zeitzeuge auftrat, später Präsident der Lagergemeinschaft Dachau und Vizepräsident des Internationalen Dachau-Komitees wurde.

„Wir schulden ihm Dank“, Mannheimer sei ein „Mahner gegen das Vergessen und großer Versöhner gewesen“, so würdigte Bundeskanzlerin Angela Merkel den mit dem Bundesverdienstkreuz und vielen weiteren Auszeichnungen Geehrten. 2013 hatte sie auf seine Einladung hin die Gedenkstätte Dachau besucht.

Mit Trauer und Bestürzung hat auch die jüdische Gemeinschaft auf den Tod Mannheimers reagiert. „Mit ihm verliert die Welt einen unendlich tapferen und unermüdlichen  Kämpfer wider das Vergessen und zugleich einen zutiefst menschlichen Versöhner“, sagte die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch.

Mannheimer war 1920 in Neutitschein in Nordmähren, im heutigen Tschechien, geboren worden, als ältestes von fünf Kindern einer jüdischen Familie. Die Verfolgung durch die Nazis begann 1938 mit der Besetzung des Sudetenlandes. Anfang 1943 wurde die Familie – Mannheimer hatte im Jahr zuvor geheiratet – deportiert und über Theresienstadt nach Auschwitz gebracht. Die Eltern, die Ehefrau, zwei Geschwister wurden ermordet, er selbst überlebte die Selektion wohl nur wegen seiner schwieligen Hände, die ihn in den Augen der NS-Schergen als möglichen Arbeitssklaven auswiesen. Gemeinsam mit seinem Bruder Edgar durchlitt er Warschau, wo sie die Reste des zerstörten Ghettos abtragen mussten, später die Zeit in Dachau und den Todestransport Richtung Süden, auf dem sie Ende April 1945 von den Alliierten befreit wurden.

Eigentlich wollte Mannheimer Deutschland nie wieder betreten, doch seit 1946 lebte er als Kaufmann in München: Er hatte sich in eine deutsche Widerstandskämpferin verliebt. (mit epd)

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