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Politik: Hongkongs Regierung stoppt Sicherheitsgesetze

Umstrittene Reform wird nach massiven Protesten auf unbestimmte Zeit verschoben / Peking äußert sich zunächst nicht

Peking. Der Streit um die Sicherheits- und Notstandsgesetze hat in Hongkong eine Regierungskrise ausgelöst. Nachdem der Chef der Liberalen Partei, James Tien, am Wochenende überraschend aus dem Kabinett zurücktrat, musste Regierungschef Tung Chee Hwa die Verabschiedung der umstrittenen Gesetze auf unbestimmte Zeit verschieben. Nun werden Rufe nach seinem Rücktritt laut.

Nach einer Krisensitzung in der Nacht zum Montag verkündete Tung, die seit Monaten diskutierten Sicherheitsgesetze würden nun doch nicht am Mittwoch vom Legislativrat verabschiedet. Nach „ausführlichen Beratungen“ habe sich die Regierung entschlossen, die zweite Lesung des Gesetzes „zu verschieben“, erklärte Tung. Er kam damit einer Abstimmungsniederlage zuvor. Ohne die Unterstützung der Liberalen Partei, bislang enge Verbündete der Regierung, wären die Gesetze im Legislativrat gescheitert.

Hintergrund des Streits ist Artikel 23 in Hongkongs Grundgesetz, auf das sich Großbritannien und China vor der Übergabe der Stadt 1997 verständigt hatten. Der Artikel sieht für Hongkong die Verabschiedung von Notstands- und nationalen Sicherheitsgesetzen vor, ohne diese allerdings genauer zu beschreiben. Unter Berufung auf diese Klausel wollte Tung die Sicherheitsgesetze derart verschärfen, dass dies nach Ansicht von Kritikern einem Ende der politischen Rechte der Hongkonger gleichgekommen wäre. Vergangene Woche demonstrierten deshalb 500 000 Bürger der Stadt gegen die Gesetze.

Zwar betonte Tung, die Sicherheitsgesetze seien nur aufgeschoben. Vermutlich sollen sie noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Doch der politische Gegenwind für seine Regierung weht mittlerweile so stark, dass viele sich fragen, wie lange sich der 1997 von Peking eingesetzte Reeder noch im Amt halten kann.

„Die Regierung ist in einer enormen Krise“, sagte der politische Kommentator Allen Lee, ein früherer Vorsitzender der Liberalen Partei. Tung solle zurücktreten. Auch Hongkongs Wirtschaftselite, bisher eine der Stützen der Regierung, übt nun offen Kritik. „Die Tung-Regierung ist tot. Wir sind effektiv ohne Regierung“, kommentierte der Finanzanalyst Stephen Brown im „Hongkong Standard“.

Druck bekommt Tung auch aus Peking. Denn die eigentlich treibende Kraft hinter den Sicherheitsgesetzen ist Chinas kommunistische Führung, die damit die Kontrolle über die kapitalistische Ex-Kolonie verschärfen will. Abgeordnete des Legislativrats waren vergangene Woche nach Peking geflogen, um sich mit der dortigen Führung abzusprechen.

Unter dem Motto „Ein Land, zwei Systeme“ hatte Peking Hongkong 1997 weit reichende politische und wirtschaftliche Freiheiten eingeräumt. Bisher hatte Peking sie auch respektiert, wenn auch nur widerwillig. So dürfen etwa Anhänger der in China verbotenen Falun-Gong-Bewegung in Hongkong weiter ihrer Heilslehre nachgehen. Menschenrechtsgruppen wie Amnesty International und Human Rights sind ebenso in der Stadt aktiv. Die Frage ist jedoch, wie lange Hongkongs Bürger noch diese Rechte haben. So könnten mit den neuen Gesetzen etwa Demonstrationen einfach verboten werden.

Harald Maass

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