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Verschenkte Dekade? Kritiker von Hu Jintao halten dem Politiker vor, in seiner Amtszeit nur wenig im Land bewegt zu haben. Er selbst sieht das anders.

© dpa

Hu Jintao: Eigenlob zum Abschied

Die Amtszeit von Hu Jintao in China geht zu Ende. Die Bilanz des KP-Chefs ist umstritten.

Auch bei seinem letzten wichtigen Auftritt in der Großen Halle des Volkes in Peking machte der scheidende Parteichef Hu Jintao seinem Ruf als Langweiler alle Ehre. Während seines eineinhalbstündigen Berichts anlässlich der Eröffnung des 18. Parteitags der Kommunistischen Partei (KP) Chinas fiel es seinem Vorgänger Jiang Zemin in der ersten Reihe des Podiums schwer, aufmerksam zu bleiben. Im chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo kursierte eine Fotoserie des 86-Jährigen, auf der er mehrfach gähnt, die Augen schließt, auf die Uhr oder in die Luft blickt. Die Fotos machten 25 Minuten lang im Internet die Runde, dann löschten Chinas Zensoren diese Serie.

Hu Jintao wird der Welt trotzdem als trockener Technokrat im Gedächtnis bleiben. Seine Amtszeit als Parteichef geht beim aktuellen einwöchigen Parteitag der 2268 Delegierten der Kommunistischen Partei zu Ende. Im März wird der 69-Jährige auch seinen Posten als Staatspräsident an seinen wahrscheinlichen Nachfolger Xi Jinping abgeben. Nur was mit seinem Vorsitz der Militärkommission passiert, ist noch unklar. Es wird spekuliert, dass er diesen noch weitere zwei Jahre behalten könnte. Das würde ihm weiterhin großen politischen Einfluss garantieren. „Ich glaube nicht, dass er das machen wird“, sagt Kerry Brown, Professor für die Politik Chinas an der Universität von Sydney, „ich glaube, dass seine politische Bedeutung langsam schwinden wird.“

Die Bilanz seiner zehnjährigen Amtszeit ist umstritten. Hu Jintao stellte sich selber ein gutes Zeugnis aus in seinem Bericht. „Die Wirtschaft entwickelte sich stabil und relativ schnell“, sagte der Parteichef am Donnerstagmorgen in Peking, „die gesamten Wirtschaftsleistungen unseres Landes rückten von Platz sechs auf den zweiten Platz vor.“ Unter seiner Führung ist Chinas Wirtschaft seit 2002 in jedem Jahr durchschnittlich um mehr als zehn Prozent gewachsen. Hu Jintao führte noch weitere Erfolge an: besserer Lebensstandard des Volkes, Fortschritte beim sozialen Aufbau und der Schaffung des Kulturwesens oder neue Schritte beim Aufbau von Demokratie und Rechtssystem. Mindestens beim letzten Punkt kann man anderer Meinung sein.

„Obwohl Wen Jiabao immer wieder politische Reformen gefordert hat, hat sich Chinas politisches System in den vergangenen zehn Jahren nicht sehr in Richtung Demokratie, Freiheit oder Recht und Gesetz entwickelt“, sagt He Weifang, Juraprofessor der Peking Universität. Er hält die Jahre unter Hu und Wen für eine Dekade der Stagnation. „Wirtschaftlich gab es Fortschritte, aber die strukturellen Probleme bleiben bestehen“, sagt He Weifang. Politikprofessor Zhang Ming von der Volksuniversität spricht sogar von einer verlorenen Dekade. „Es war wie in der Breschnew-Ära“, sagt der liberale Wissenschaftler, „die Reform des politischen Systems hat nicht nur nicht begonnen, sie hat sich sogar rückwärts entwickelt.“ China habe aufgrund der langsamen Reformen viele wirtschaftliche Probleme angehäuft, sagte Zhang Ming. Dazu gehörten Einkommensunterschiede, Spannungen zwischen Regierung und Volk sowie eine schlechte Gesundheitsversorgung.

Einige Kritikpunkte wie Einkommensverteilung oder Stadt-Land-Unterschiede führte Hu Jintao in seiner Rede allerdings auch selber an. „Ein Teil der Volksmassen hat es verhältnismäßig schwer im Leben“, gab er zu. Am deutlichsten geißelte er die Korruption. „Wenn diese Fragen nicht gut gelöst werden, werden sie der Partei tödlichen Schaden zufügen und sogar den Untergang der Partei und des Staates herbeiführen.“ Den Namen des ehemaligen Politbüromitglieds Bo Xilai erwähnte er zwar nicht ausdrücklich, sagte aber: „Welche Personen auch immer, wenn sie gegen die Parteidisziplin und die Gesetze des Staates verstoßen, werden sie gnadenlos bestraft ohne Rücksicht darauf, wie groß ihre Macht und wie hoch ihre Stellung ist.“

Der überwiegende Teil des 60 Seiten langen Berichts erging sich in Schlagworten des Sozialismus chinesischer Prägung. Eine erste Analyse dieser politischen Schlüsselbegriffe des Journalisten Qian Gang vom China Media Project der Universität Hongkong ergab, dass die konservativen Kräfte in der Partei immer noch sehr mächtig sein müssen. Für die 80 Prozent der chinesischen Bevölkerung, die sich nach jüngsten Umfragen chinesischer Zeitungen politische Reformen wünschen, heißt das nichts Gutes.

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