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Aleppo brennt. Über dem von Rebellen gehaltenen Viertel Leramun steigt Rauch auf. Im benachbarten Bani Zeid, das ebenfalls von Rebellen gehalten wird, kam es Ende Juli zu schweren Kämpfen.

© AFP

Humanitäre Katastrophe: Aleppo ist schwer verwundet

Die Waffen schweigen immer nur kurz. Nun gibt es auch kein Wasser mehr. In Aleppo scheint die Lage zunehmend hoffnungslos.

In Aleppo entwickelt sich die Situation zunehmend zu einer humanitären Katastrophe. Auch die „humanitären Zeitfenster“, die das russische Militär am Mittwoch angekündigt hat, ändern daran nichts. In den Augen vieler Hilfsorganisationen sind sie unzureichend. „Um eine erfolgreiche humanitäre Aktion in Aleppo zu ermöglichen, bräuchte die UN humanitäre Pausen von mindestens zwei Tagen pro Woche“, sagt Firas Al Khateeb, der für Syrien zuständige Sprecher des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge, dem Tagesspiegel. Vor allem im Ostteil der Stadt verschlimmere sich die Situationen aufgrund von fehlendem Zugang. Al Khateeb fordert einen Zwei-Wege-Korridor: In die eine Richtung müsse die Flucht der in Ost-Aleppo eingeschlossenen Menschen ermöglicht werden, in die andere müsste der Zugang für Hilfsorganisationen gesichert werden. Seit dem 7. Juli ist die letzte Verbindungsstraße zwischen Ost und West unpassierbar.

Der UN-Koordinator für humanitäre Angelegenheiten, Yacoub El Hillo, schließt sich der Forderung an: „Um sicheren, regulären und nachhaltigen Zugang zu den eingeschlossenen Menschen zu haben, benötigt die UN entweder eine 48-stündige humanitäre Pause oder einen kompletten Waffenstillstand“, schreibt er in einer Mitteilung.

Sofortige Einstellung der Kampfhandlungen

Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin der Diakonie Katastrophenhilfe, schätzt die Situation ähnlich ein. „Eine tägliche Feuerpause von drei Stunden ist deutlich zu kurz, um die Menschen in Aleppo mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Medikamenten zu versorgen“, sagt sie. „Wir fordern eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen, um lebensnotwendige Hilfe zu gewährleisten“, sagte sie.

Diese Organisation dieser Hilfen seien in den vergangenen Wochen schwieriger geworden, sagt Louay Yassin, Sprecher von SOS-Kinderdörfer weltweit (siehe Interview). „Um eine Versorgung sicherzustellen, bräuchten die Menschen eine Waffenruhe von mindestens einem Tag.“

Obwohl es in der russischen Ankündigung hieß, zwischen 10 und 13 Uhr sollen Kämpfe, sowie Artillerie- und Luftangriffe eingestellt werden, gab es mehreren Quellen zufolge weiter Gefechte. Die Regierungstruppen versuchten, im Viertel Ramusah voranzukommen, sagte ein Sprecher der Rebellengruppe Dschaisch al Nasr. Demnach greifen russische Kampfflugzeuge sogar verstärkt an. Auch ein Zeuge nahe des Frontverlaufes berichtete, nach Beginn der Feuerpause sei es am Vormittag zu Gefechten gekommen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte den Beschuss.

Aleppo sei "müde und verwundet"

Seit Wochen ist sowohl im vom Rebellen gehaltenen Osten, wie im von Regierungstruppen kontrollieren Westen, die Versorgung mit Medikamenten, mit Nahrung und Gebrauchsgegenständen eingeschränkt. Nicht nur im Ostteil habe sich die Situation in den letzten Tagen dramatisch verschlechtert, sagt Hanaa Singer, die Unicef-Repräsentantin für Syrien, im britischen Radio BBC4. Die Stadt sei „müde und verwundet“ und die Situation verschlechtere sich zusehends. Vor einigen Tagen sei ein Stromkraftwerk bei Gefechten im Vorort Hamdaniya getroffen worden, das für die Wasserversorgung wichtig war, erklärte sie. Das Unicef-Team habe es repariert, kurz darauf sei es wieder zerstört worden. „Die Katastrophe jetzt ist die Wasserversorgung“, sagte sie, „wir brauchen mindestens 48 Stunden, um das Kraftwerk wieder zum Laufen zu bringen, damit wieder Wasser gepumpt werden kann.“ Nicht nur die 300 000 Eingeschlossenen im Ostteil seien nun ohne Wasser, sondern auch rund 1,2 Millionen Menschen in West-Aleppo.

Bei bis zu 40 Grad und der miserablen Qualität des Brunnenwassers fürchten sich viele in dieser Situation vor der Verbreitung von Seuchen. In einem Appell an US-Präsident Barack Obama haben Ärzte in Aleppo ein sofortiges Eingreifen der USA gefordert. „Uns helfen nun keine Tränen mehr, kein Mitleid und nicht einmal Gebete, wir benötigen Ihr Handeln“, heißt es in dem Brief, der von 15 der 35 noch praktizierenden Ärzte im Osten Aleppos unterzeichnet wurde. Ohne einen ständigen Versorgungskorridor werde sich der Hunger weiter ausbreiten und die Vorräte der Krankenhäuser gingen vollends zu Ende. „Fünf Jahre kam der Tod von oben“, schreiben die Ärzte. „Jetzt ist der Tod überall.“ (mit Reuters, dpa, AFP, epd)

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