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Krisenmanager. Barack Obama mit dem Helferstab.

© Reuters

Hurrikan "Sandy" in den USA: Nach dem Sturm ist vor der Wahl

"Sandy" hat schlimm gewütet. Obama und Romney mussten ihren Kampf um Stimmen erst unterbrechen und jetzt neu ausrichten. Sie suchen nach dem richtigen Ton. Einer der Kontrahenten könnte vom Hurrikan sogar profitieren.

Hurrikan „Sandy“ hat den Charakter des Wahlkampfs verändert. In den anderthalb Tagen, in denen der Wirbelsturm die Ostküste der USA hinaufzog, hatten Präsident Barack Obama und sein republikanischer Herausforderer Mitt Romney alle Auftritte abgesagt. Am Mittwoch begaben sie sich erstmals wieder auf Reisen, Obama nach New Jersey, Romney nach Florida. Zunächst bestimmt weiterhin „Sandy“ ihre Botschaft. Es könnte unpassend wirken, wenn sie bereits wieder zu den persönlichen Angriffen aus der Zeit vor dem Sturm zurückkehren, während viele Bürger noch damit beschäftigt sind, zu reparieren, was der Hurrikan zerstört hat.

Wie treten die Kandidaten jetzt auf?

Am Mittwochvormittag behalfen sich die Fernsehsender noch mit den Bildern aus den Vortagen: Präsident Obama im „Situation Room“ des Weißen Hauses, von wo aus er die Katastrophenhilfe koordinierte, und bei einem Kurzbesuch in der Zentrale des Roten Kreuzes, wo er am Dienstag eine kurze Fernsehansprache gehalten und den Opfern rasche und unbürokratische Hilfe versprochen hatte. Romney sah man in Szenen, wie er mit Anhängern Hilfspakete schnürte.

Gegen Mittag nahm Romney den Wahlkampf wieder auf. In Tampa, Florida, trat er an der Seite des kubanischstämmigen Senators Marco Rubio, des Ex-Gouverneurs Jeb Bush und des Senatskandidaten Connie Mack auf. Von dort ging es weiter nach Coral Gables und Jacksonville. Florida ist hart umkämpft, im Schnitt der Umfragen liegt Romney mit einem Prozentpunkt vorne. Sein Tonfall ist nun gemäßigter als vor dem Sturm. Er stellt das nationale Interesse heraus, dass die betroffenen Gebiete möglichst rasch zum Alltag zurückkehren können, und sein Mitgefühl mit den Opfern.

Obama flog am Mittwochnachmittag nach New Jersey, dem Staat, der neben New York am schwersten getroffen wurde. Dort besuchte er gemeinsam mit dem republikanischen Gouverneur Chris Christie Gegenden mit schweren Schäden in der Küstenstadt Atlantic City.

Von Parteipolitik und Wahlkampfprogrammen spricht der Präsident jetzt überhaupt nicht. Die Bilder sollen die Botschaft transportieren, dass das politische Eigeninteresse im Angesicht einer nationalen Katastrophe in den Hintergrund trete. Obama kümmert sich offiziell nur noch um unbürokratische Hilfe für die Opfer und den Wiederaufbau. Er kennt dabei keine Parteigrenzen und arbeitet bestens mit einem Republikaner wie Chris Christie zusammen.

Christie hatte beim Parteitag der Republikaner eine offensive Rede gegen Obama gehalten. Er galt lange als potenzieller Vizepräsidentschaftskandidat. Nun aber muss auch er die Wahlkampfmunition beiseitelegen. Er lobt den Präsidenten für seinen Einsatz und seine Hilfsbereitschaft.

Kann die Wahl wie geplant stattfinden?

Bringt der Sturm einem der Kontrahenten einen Vorteil?

Das wird sich erst mit einigen Tagen Abstand verlässlich beantworten lassen. Die Lage bietet sowohl Vorteile als auch Nachteile für den Präsidenten und für Romney. Die US-Medien sind sich weitgehend einig, dass das Bild des umsichtigen Krisenmanagers Obama nützt. Er gilt bisher nicht als „Versager“, wie Vorgänger George W. Bush bei Hurrikan „Katrina“ 2005. Der gemeinsame Auftritt mit Gouverneur Christie widerlegt zudem die Behauptung der Republikaner, Obama verweigere die überparteiliche Kooperation.

Die neue Situation führt aber auch zu Nachteilen für Obama. Er kann die knappe Zeit bis zum Wahltag am kommenden Dienstag nicht, wie geplant, für eng getaktete Auftritte in den wahlentscheidenden Swing States nutzen, zum Beispiel Colorado, Florida, Ohio, Virginia, Wisconsin. New Jersey ist ein Staat, der ohnehin demokratisch wählt. Der Auftritt dort nützt ihm insofern wenig. Er muss hoffen, dass er mit den nationalen Fernsehbildern von dort die potenziellen Wähler in den Swing States erreicht, die er eigentlich durch persönliche Ansprache bei Wahlkampfterminen vor Ort erreichen wollte.

Außerdem beeinflusst der Hurrikan das sogenannte „Early Voting“: die Stimmabgabe vor dem eigentlichen Wahltag. Immer mehr Staaten bieten den Bürgern diese Möglichkeit an. Man prognostiziert, dass 30 Prozent der Wähler in diesem Jahr davon Gebrauch machen. Nach aller Erfahrung nehmen deutlich mehr Demokraten als Republikaner daran teil. Wegen des Hurrikans waren die Wahllokale für „Early Voting“ in mehr als einem Dutzend Staaten jedoch zwei Tage lang geschlossen. Es ist daher unklar, wie sich die teils positiven, teils negativen Faktoren in der Summe auswirken.

Romney hat nicht ganz so viele Aspekte zu bedenken. Er muss deutlich machen, dass auch er die Opfer im Blick hat und ein potenzieller „Commander in Chief“ ist. Deshalb die Hilfspakete und deshalb auch der konziliante Ton bei den ersten Auftritten nach dem Sturm. Er darf nicht zu früh zu den Attacken zurückkehren, das könnte ihm schaden.

Kann die Wahl wie geplant stattfinden?

Der Sturm hat zwar schwere Zerstörungen in einer Reihe von Staaten angerichtet. Bisher deutet jedoch nichts darauf hin, dass diese Beeinträchtigungen die Wahl verhindern oder zu durchgreifenden Änderungen im Wahlablauf führen werden. Es gibt auch keine ernst zu nehmenden Stimmen in den USA, die eine Verlegung des Wahltermins fordern. Amerika geht davon aus, dass die Infrastruktur bis dahin repariert ist, der öffentliche Nahverkehr in New York und anderswo wieder läuft und in den Wahllokalen der Strom fließt. Den braucht es für die Beleuchtung, die Wahlcomputer, die Telefone und andere Kommunikationswege, auf denen die lokalen Ergebnisse in die Zentralen gemeldet werden.

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