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Politik: Hutton-Bericht bedroht die Existenz der BBC

Die Reinwaschung des britischen Premiers Blair bestürzt Öffentlichkeit und Medien / Ex-Minister Cook rechnet mit dem Richter ab

London . Lord Huttons Bericht über die Kelly-Affäre spaltet die Briten und stürzt die Rundfunkanstalt BBC in eine existenzbedrohende Krise. Während Premier Tony Blair am Donnerstag mit einer Rede über die Reformagenda zur politischen Tagesordnung überging, trat BBC-Generaldirektor Greg Dyke unter tumultartigen Szenen zurück. „Mein einziges Ziel war, die Integrität der BBC zu verteidigen“, sagte er. Doch es wirkte weniger wie ein Schuldbekenntnis als ein Akt des Widerstands.

Dyke folgte dem Beispiel des BBC-Aufsichtsratschefs Gavyn Davies. Die Regierung hatte den Druck auf Dyke erhöht, eine erste Entschuldigung wurde als unzureichend bezeichnet. Dyke hatte „gewisse Fehler“ in der Berichterstattung eingeräumt, David Kelly aber erneut als zuverlässige Quelle bezeichnet; die Öffentlichkeit habe das Recht gehabt, über seine Bedenken informiert zu werden. Es blieb dem BBC-Aufsichtsratsvize, Lord Ryder, überlassen, die geforderte Entschuldigung zu verlesen. Nun muss Blair einen Nachfolger für Dyke benennen. Der „Independent“ brachte die Stimmung der britischen Medien auf den Punkt: Die gestrige Ausgabe erschien halb leer, die Titelgeschichte trug die Schlagzeile „Weißgewaschen“. Einer Umfrage des „Evening Standard“ zufolge glauben 49 Prozent der Briten, dass Hutton den wahren Schuldigen nicht benannt habe. 56 Prozent hielten es für „unfair“, dass Hutton die BBC als Alleinschuldige darstelle. Robin Cook, wegen des Irakkriegs zurückgetretener Kabinettsminister, schrieb: „Sollte ich einmal vor Gericht kommen, möchte ich schon jetzt Lord Hutton als Richter buchen.“

Mehrere Zeitungen hatten Dykes Rücktritt gefordert. Konservative Parlamentarier wie Michael Portillo warnten hingegen eindringlich davor, die Unabhängigkeit der BBC aufs Spiel zu setzen. Andere Kommentatoren warfen Lordrichter Hutton vor, er habe mit „zweierlei Maß“ gemessen. „Für die Regierung lässt Hutton die Prinzipien Machiavellis gelten“, die BBC aber werde an den Standards des Gründers des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gemessen, sagte der frühere „Times“-Chefredakteur Peter Stothard.

Der „Guardian“ rechnete Richter Hutton zu jenen Richtern, die „Lippenbekenntnisse für eine freie Presse abgeben, ohne viel Verständnis für die Umstände zu haben, unter denen Journalisten arbeiten.“ Der Hutton-Untersuchungsbericht wird nun auch ein parlamentarisches Nachspiel haben: Der Verwaltungsausschuss lud Lord Hutton zu einer Befragung über seine „innovative“ Untersuchung vor.

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