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Politik: IBM und die Nazis: Wahrheit statt Entschädigung

Sie allein zählen für Edwin Black. "Sind Sie an historischen Fakten interessiert?

Sie allein zählen für Edwin Black. "Sind Sie an historischen Fakten interessiert?", fragt der amerikanische Journalist zu Beginn des Gesprächs. Ohne die nahe liegende Antwort abzuwarten, zieht er einen Stapel mit Papieren im DIN-A3-Format aus seiner Tasche und legt ihn auf den Tisch. Zwanzig Blätter sind es schätzungsweise. Es könnten einige mehr sein. 20 000 Dokumente haben der 51-Jährige und seine zahlreichen Helfer in zwei Jahren zusammengetragen. Sie alle beweisen nach Blacks fester Überzeugung, dass der Weltkonzern IBM tief in den Holocaust verstrickt war.

Das Computerunternehmen und seine deutsche Tochter Dehomag hätten mit Hollerith-Lochkarten und den entsprechenden Rechenmaschinen wissentlich das Know-How und die Technik an die Nazis verkauft, mit der Juden und andere Opfer des Dritten Reiches erfasst wurden. Über das Ziel - die physische Vernichtung - habe man sich auch in der New Yorker Zentrale im Klaren sein müssen. "Das ist die Wahrheit", sagt der bärtige Mann mit den kurzen, angegrauten Haaren. Und um die Wahrheit, nicht um die Sensation, gehe es ihm. Es ist - so sieht es Black selbst - der Kampf des David Edwin gegen den Goliath IBM. Dieser Eindruck drängte sich auch vor ein paar Tagen auf. Unmittelbar vor dem weltweiten Erscheinen von Blacks Buch "IBM und der Holocaust" (Propyläen-Verlag) reichten fünf Überlebende der Shoa in New York Klage gegen den Maschinenhersteller ein, wegen Beihilfe zum Völkermord.

Das sah nach langer Planung aus: Ein Forscher beschafft das Material, und die Anwälte nutzen es. Doch diesen Verdacht weist Black zurück. "Wir haben uns nicht abgestimmt. Wenn etwas enthüllt wird, dann rennen Juristen immer gleich zum Gericht." Zwar sei das ganze Rechercheunternehmen möglichst geheim gehalten worden. Doch als das Manuskript fertig war, habe man es Fachleuten zum Überprüfen gegeben, neben Experten aus der Holocaust-Forschung und Vertretern jüdischer Organisationen auch Anwälten. IBM selbst habe Interesse daran gehabt, eine Verbindung zwischen der Klage und seinen Erkenntnissen herzustellen. Warum? "Ganz einfach", sagt Black: "Dem Computerkonzern ist ein Prozess immer noch lieber, als die Diskussion über seine historische Verantwortung." Später, bei der Buchpräsentation, wird Black hinzufügen, dass ihn Entschädigungen für die Opfer nicht sonderlich interessieren. "Ich glaube nicht, dass ein paar Hundert Dollar irgendjemanden für Zwangsarbeit entschädigen." Sagt der Sohn von Holocaust-Überlebenden.

Blacks Eltern waren es, die ihren Sohn baten, IBMs Rolle im Völkermord zu untersuchen. Mission erfüllt. "Den Holocaust hätte es auch ohne IBM gegeben. Aber das automatisierte Morden - das war der Hollerith-Holocaust." Mit Antisemitismus habe das bei IBM nichts zu tun. "Es ging allein um Profit." Auch das zeigten die Dokumente.

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