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Politik: „Ich bin kein Kapitalist“

Der neue SPD-Generalsekretär Benneter über seine Wandlung, Patrioten und die Gewerkschaften

Herr Benneter, hilft es Ihnen in Ihrer neuen Funktion, dass Sie ein Freund von Bundeskanzler Schröder sind?

Ich habe den Eindruck, es hilft. Das ist ein Grund, warum ich mit der Aufgabe betraut worden bin. Franz Müntefering wollte einen Generalsekretär, der glaubhaft unsere Position vertritt und gleichzeitig die Gewähr dafür bietet, dass Regierung und Partei geschlossen auftreten.

Sprechen Sie als Generalsekretär mehr zu oder für die Sozialdemokraten?

Beides. Aber ich werde wahrscheinlich noch mehr als Franz Müntefering im Lande unterwegs sein, um mit unseren Leuten zu reden, um zuzuhören und unsere Politik zu erklären.

Mit welcher Botschaft wollen Sie Ihre Partei wieder aufrichten?

Ich folge da dem Kanzler. Wir wollen deutlich machen, dass die Agenda 2010 ein sozialdemokratisches Projekt ist. Es gibt einen Vertrauensverlust. Wir werden deutlich machen, dass es keinen Grund gibt, enttäuscht oder verwirrt zu sein.

Was heißt das konkret?

Es geht konkret darum, mehr für Bildung und Forschung zu tun. Die Agenda 2010 schafft die Voraussetzung für zusätzliche Investitionen in die Zukunft und damit für den Wohlstand künftiger Generationen.

Es fällt auf, wie sehr die SPD diese Woche gegen die Wirtschaft gepoltert hat. Soll das rhetorische Hochdrehen die Gewerkschaften und die Parteilinke mit dem Reformkurs versöhnen?

Nein. Nicht wir haben diese Diskussion provoziert, sondern DIHK-Chef Braun mit seinen offensichtlich sehr missverständlichen Äußerungen. Wir haben nur deutlich gemacht, dass es unpatriotisch ist, wenn ein bedeutender Vertreter der Wirtschaft dazu aufruft, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

Warum nennen Sie das „unpatriotisch“ und nicht „unsozial“?

Wir haben auf Arbeitsplätze in Deutschland zu achten. Und die Unternehmer haben Verantwortung für dieses Land und die Menschen, die hier arbeiten.

Für den 3. April rufen nicht nur linke Gruppen, sondern auch die Gewerkschaften zu Demonstrationen gegen die Reformpolitik auf. Was droht Ihnen da von Ihren Verbündeten?

Wir wünschen uns, dass die Demonstranten auch über den Tag hinausdenken und nicht auf dem beharren, was ist. Wir haben eine Verantwortung für unsere Kinder und Enkel. Jeder weiß, dass wir in den vergangenen drei Jahren kein Wachstum hatten, wie die demografische Entwicklung ist, welche globalen Veränderungen da sind. Wir müssen uns auf diese Herausforderungen heute einstellen. Sie kennen ja mein Motto: Wer nur von alten Zeiten träumt, wird keine besseren erleben.

Haben die Demonstranten eine Chance, Änderungen an der Agenda 2010 der rot-grünen Regierung zu bewirken?

Nein. Die Agenda 2010 hat im Parlament eine ganz breite Mehrheit bekommen. Wir haben das nicht gemacht, um die Menschen zu quälen, sondern aus Verantwortung gegenüber unserem Land. Die Agenda 2010 wird Erfolg haben, das zeichnet sich bereits heute ab. So wenig die Gewerkschaften von einer Teilnahme absehen werden, so wenig werden wir Abstriche an der Agenda 2010 machen.

Ab wie viel Hunderttausend Teilnehmern bekommen Sie einen Schreck?

Die Quantität wird es nicht ausmachen können. Das wird sicher eine machtvolle Demonstration. Nach den Ankündigungen der Gewerkschaften müsste sie sich eigentlich gegen die Opposition richten, die den Abbruch des Sozialstaates will. Wir bauen ihn um, um ihn zu erhalten.

Was können Sie den vom Reformkurs enttäuschten Gewerkschaften anbieten, um sie wieder an die SPD zu binden?

Wir werden einen ganz intensiven Dialog mit den Gewerkschaften beginnen. Wir werden immer wieder dort einhaken, wo wir das Gefühl haben, dass es um die Wahrung von Besitzständen geht. Wir werden gemeinsam darüber nachdenken, wie Ökonomie unter globalen Verhältnissen gestaltet werden muss. Da können sich die Gewerkschaften ja nicht ausschließlich auf den Bereich um den Alexanderplatz beschränken.

Stören Sie die Bündnispartner der Gewerkschaften bei diesen Demonstrationen?

Ich weiß doch, dass es manchem Gewerkschafter ganz mulmig in der Bauchgegend ist, mit wem er sich da alles auf der Straße wiederfindet.

Sie wurden früher einmal als Linksabweichler aus der SPD ausgeschlossen. Stärkt Sie das heute oder begegnet man diesem Wandel in Ihrer Partei mit Skepsis?

Meine Geschichte hilft mir, weil ich glaubhaft vermitteln kann, warum ich heute anderen Sinnes bin als noch vor einigen Jahren.

Sie galten als „Benni Bürgerschreck“. Fehlt Ihnen das manchmal?

Nein. Ich habe mich über so viele Jahre um meinen Beruf und um meine Angestellten zu kümmern. Da kriegt man ein ganz anderes Verhältnis zu den Lebensumständen.

Wenn Sie sich kurz in den Juso-Chef der 70er Jahre zurückversetzen, der Sie waren. Würde der sagen: Benneter hat sich zum Kapitalisten entwickelt?

Ich bin kein Kapitalist, nur weil ich in einer marktwirtschaftlich organisierten Gesellschaft lebe und arbeite.

Das Gespräch führten Hans Monath und Ingrid Müller.

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