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„Wie Zensur bei uns im Westen funktioniert.“ Julian Assange meldet sich jeden Tag in der Polizeistation in Suffolk, wo er unter Hausarrest steht, und gibt Interviews. Foto: Reuters

© Reuters

Politik: „Ich bin mental sehr robust“

Mit seinen Memoiren will der Wikileaks-Gründer Julian Assange ein Millionenhonorar verdienen – für seine Verteidigung und das Überleben seiner Plattform

London - Wikileaks-Gründer Julian Assange will seine Memoiren schreiben und damit bis zu einer Million Pfund (rund 1,17 Millionen Euro) kassieren. Das Geld sei nötig, um die Internetplattform am Laufen zu halten und um sich selbst gegen Missbrauchsvorwürfe in Schweden zu verteidigen, sagte Assange der Londoner Zeitung „Sunday Times“. „Ich will dieses Buch nicht schreiben, aber ich muss“, sagte er. Assange sagte, er werde für die Autobiografie 518 000 Pfund von seinem US-Verlag Alfred A. Knopf erhalten. Der Verlag gehört über die Gruppe Random House zum deutschen Bertelsmann-Konzern. Weitere 325 000 Pfund sollen vom schottischen Verlag Canongate kommen. Zusätzlich soll Geld über Tantiemen eingespielt werden.

Der 39-Jährige Australier versucht, seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden zu verhindern. Er befürchtet, von Schweden in die USA abgeschoben zu werden. Dort hatte US-Vizepräsident Joe Biden Assange laut „Sunday Times“ als „Hightech-Terroristen“ bezeichnet. Die Plattform Wikileaks hatte in den vergangenen Monaten mit der Veröffentlichung vertraulicher Unterlagen über die Kriege im Irak und in Afghanistan sowie über diplomatischen Schriftverkehr vor allem die USA in Bedrängnis gebracht. Die schwedische Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, mit zwei Frauen gegen deren Willen ungeschützten Sex gehabt zu haben. Wegen eines internationalen Haftbefehls steht er in Großbritannien unter Hausarrest, bis über seine Auslieferung nach Schweden entschieden wird. Er weilt mit einer elektronischen Fußfessel auf dem Landsitz eines Freundes in der Grafschaft Suffolk. Von dort sind es 20 Autominuten zur nächsten Polizeistation, wo er sich jeden Tag bis 17 Uhr melden muss.

Für den Fall einer späteren Auslieferung von Schweden an die USA fürchtet Assange um sein Leben. Es gebe eine „große Chance“, dass er in einem US-Gefängnis von verärgerten Mithäftlingen getötet werde, sagte er der britischen Tageszeitung „The Guardian“. Die USA suchen derzeit nach Wegen, Assange wegen Geheimnisverrats vor Gericht zu stellen. Wenn Großbritannien seine Eigenständigkeit wahren wolle, sei die Auslieferung jedoch „politisch unmöglich“, sagte Assange der Zeitung. Das Land habe das Recht, bei politischen Delikten eine Überstellung zu verweigern. „Spionage ist der klassische Fall eines politischen Verbrechens“, fügte er hinzu. Es liege daher im Ermessen der britischen Regierung, sich auf diese Ausnahme zu berufen.

Zu der Weigerung von Kreditkartenfirmen und Banken, Spenden an Wikileaks weiterzuleiten, sagte Assange in einem gemeinsamen Interview mit dem „Guardian“ und der französischen „Le Monde“: „Es ist sehr interessant zu beobachten, wie Zensur bei uns im Westen funktioniert. Das war eine wirtschaftliche Form der Zensur, die komplett außerhalb des rechtsstaatlichen Rahmens stattfand. Da nahm die Politik im Westen direkten Einfluss auf multinationale Konzerne, der sogar die Schweizer Banken erreichte.“ Über die Auswirkungen sagte er: „Erst einmal waren die Rücklagen für meine Verteidigung eingefroren. Auf dem Höhepunkt der Wikileaks-Veröffentlichungen erhielten wir mehr als 100 000 Euro an Spenden pro Tag. Aber das endete von einem Tag auf den anderen. Außerdem haben wir unsere Kriegskasse eingebüßt, die unsere Operation weitere sechs Monate am Laufen gehalten hätte. Wir haben nicht genug Geld, um Rechnungen zu bezahlen. Aber eine Reihe von Anwälten hat uns großzügigerweise ihre Zeit und Mühe gespendet. Die Rechnungen für Wikileaks belaufen sich inzwischen auf etwa 200 000 Pfund, meine privaten Anwaltskosten – inklusive der Kaution – liegen bei 400 000 Pfund.“ Assange sprach auch über eine ihm möglicherweise drohende Einzelhaft. „Einzelhaft ist nur schwer zu ertragen. Aber ich weiß, dass ich das aushalten kann, so lange ich mit der Außenwelt korrespondieren kann. Ich bin mental sehr robust“, sagte Assange und fügte hinzu: „Aber natürlich wäre es das Ende meines Lebens im konventionellen Sinne.“ Tsp/dpa/AFP

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