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Politik: „Ich bin mit meinem Image zufrieden“

Umweltminister Jürgen Trittin über die Wahrnehmung von Realität, den Streit um das Dosenpfand – und Erinnerungen an die kleine Mundorgel

Herr Trittin, haben Sie den Bart abgenommen, weil Sie ein neues Leben anfangen wollen?

Nein, ich hatte einfach Lust dazu.

Aber könnte die Regierung nicht einen Neustart oder zumindest ein besseres Image gebrauchen?

Ich nicht. Ich bin mit meinem Image zufrieden. Es ist immer populärer, von der Sanierung des Haushalts und dem Abbau von Subventionen zu reden, als damit Ernst zu machen. Wir tun das, weil wir eine Ganztagsbetreuung in Deutschland umsetzen, unser Programm gegen Jugendarbeitslosigkeit fortschreiben und die Förderung erneuerbarer Energien ausbauen wollen.

Wie wollen Sie die Regierung in die Offensive bringen? Wie schlecht die Stimmung ist, können Sie sich bei jeder Taxifahrt anhören.

Auf den Tag, an dem Taxifahrer vor Optimismus platzen, können wir lange warten. Es gehört zum Berufsbild des Taxifahrers, die Welt schlecht und ungerecht zu finden.

Gilt das auch für den BDIPräsidenten Michael Rogowski, der das gleiche sagt?

Ich würde Herrn Rogowski gönnen, als Taxifahrer tätig zu werden. Das schafft vielfältige Kontakte und einen Bezug zur Realität. Aber ganz im Ernst: Ich glaube, wir haben bewiesen, dass man in einem modernen Industriestaat gute Umweltpolitik betreiben kann. Das wird uns auch von internationalen Nichtregierungsorganisationen wie jüngst vom Worldwatch-Institut in Washington, bescheinigt. Diese wirtschaftliche Modernisierung, bei der die ökologischen Belange berücksichtigt werden, wollen wir fortsetzen.

Sie gelten neuerdings als Kulturrevolutionär.

Wirklich? Woher kommt dieser Eindruck?

Die Bierdose wird schon zum Statussymbol. Die Leute sagen stolz: Ich kann es mir leisten, sie nicht zurück zu bringen.

Die Einführung des Dosenpfands ist eine Rückkehr zu etwas Selbstverständlichem: nämlich dazu, dass man seinen Müll nicht in der Landschaft entsorgt. Das ist keine Kulturrevolution, sondern gelebter Umweltschutz.

Müssen wir die Dose eigentlich unversehrt zum Händler zurückbringen?

Nicht unbedingt. In Norwegen gibt es Automaten, die sogar stark zusammengeknüllte Dosen wiedererkennen und zurücknehmen. Vielleicht gibt es die demnächst auch hier.

Das heißt, Jugendliche können ihre Rituale wie das Dosenstechen weiter pflegen?

Im Detail kenne ich mich da nicht aus. Aber die werden sicher neue Rituale finden. Vielleicht spielen die jetzt auch irgendwelche Münzspiele mit Pfandmarken.

Der Handel hat den Aufbau eines einheitlichen Rückgabesystems bis zuletzt blockiert. Jetzt geben Sie den Händlern bis zum 1. Oktober Zeit, ein einheitliches Rücknahmesystem einzuführen. Warum haben Sie so viel Geduld?

Der Handel hat in der Tat alles oder nichts gespielt. Dieses Spiel hat er verloren. Am Ende ist aber entscheidend, dass bei allen Beteiligten nun konstruktiv an Lösungen gearbeitet wird. Wie flexibel die Unternehmen sind, zeigt sich jetzt. Metro hat mich vor kurzem noch verklagt. Jetzt macht der Konzern mit eigenem Logo Werbung für Mehrwegverpackungen. Darüber freue ich mich, weil’s vernünftig ist. Wenn man sich durchgesetzt hat, muss man nicht piffelig sein.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat Ihnen am vergangenen Donnerstag schon wieder Recht gegeben und Klagen in den Ländern gegen den Vollzug Ihrer Verordnung für unzulässig erklärt. Sind Sie zufrieden?

Das Gericht hat die Position der Bundesregierung auf ganzer Linie bestätigt. Damit hat die unsinnigste aller Klageserien gegen das Dosenpfand ein höchstrichterliches Ende gefunden.

Noch nicht ganz. Der Handel will jetzt noch einmal vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen.

Das Dosenpfand ist seit zwei Wochen Realität. Wer jetzt noch weiter gegen das Pfand prozessiert, wird dafür kaum noch Verständnis bei den Verbrauchern finden können. Ich gehe davon aus, dass sich nun alle auf Dauer auf das Pfand einstellen.

Wie weit sind Ihre Verhandlungen mit den Ländern über eine Novelle der Verpackungsverordnung?

Angela Merkel hat 1998 im Zusammenwirken mit den Ländern dafür gesorgt, dass die Pfandpflicht sich nicht nach der Verpackung richtet, sondern danach, was drin ist. Deshalb müssen wir jetzt für Cola ohne Schnaps Pfand bezahlen, für Cola mit Schnaps dagegen nicht. Das ergibt keinen Sinn, erinnert mich eher an ein Lied aus der kleinen Mundorgel: „Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Coca Cola Schnaps enthält. Drum trinken wir auf jeder Reise Coca Cola eimerweise.“ Wir wollen erreichen, dass für den ökologisch gleichwertigen Getränkekarton kein Pfand verlangt wird, aber der ökologisch nachteilige Fruchtsaft in der Einwegflasche Pfand kostet. Die ersten Signale aus den unionsregierten Ländern sind positiv. Wie positiv, das werden wir hoffentlich Mitte Februar sehen.

Sind Sie mit der Arbeit Ihrer neuen Parteivorsitzenden zufrieden?

Die beiden sind mit einer sie selbst überraschenden Geschwindigkeit in ihre neuen Posten gekommen. Reinhard Bütikofer hatte den Vorteil, dass er als Geschäftsführer, der den Wahlkampf mit organisiert hat, in vielen Themen drin war. Den Vorteil hat Angelika Beer nicht. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass wir ein hohes Maß an Kontinuität haben.

Wo bleibt das grüne Profil der Bundesregierung?

Schauen Sie sich die Beschlüsse der Koalition an. Die Grünen sind sehr wahrnehmbar, wenn es darum geht, auf Reformen zu drängen. Wir haben vor einem Jahr in Wörlitz gesagt, dass wir die Mauer zwischen dem Regelarbeitsverhältnis und dem so genannten Niedriglohnsektor fließend gestalten müssen. Das kommt jetzt. Genau so, wie wir das vor einem Jahr gefordert haben und gilt nun als Erfolg des Wirtschaftsministers. Es sei ihm gegönnt. Unser Profil besteht nicht aus einer kleinlichen Konkurrenz mit dem größeren Koalitionspartner, sondern in der Durchsetzung von Inhalten.

So harmonisch geht es in der Energiedebatte nicht zu. Wolfgang Clement wirft Ihnen vor, dass die erneuerbaren Energien für die Industrie zu teuer seien.

Ich habe Zweifel, ob die Stromkosten der Industrie wegen der Förderung der erneuerbaren Energien unzumutbar geworden sind. Bisher ist das jedenfalls noch nicht plausibel gemacht worden. Warum zeigen uns die betroffenen Unternehmen nicht einfach ihre Stromrechnung? Für die Preisgestaltung der Stromkonzerne und deren Rekordgewinne sollte jedenfalls niemand die erneuerbaren Energien verantwortlich machen. Unbestreitbar ist, dass Industriestrom in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent billiger geworden ist. Und wenn ich die Industriestrompreise in Europa vergleiche, dann stelle ich fest, dass die Kilowattstunde Strom in Düsseldorf deutlich billiger ist als in Mailand. Wenn man die energieintensiven Betriebe weiter entlasten will, würde das dazu führen, dass die privaten Haushalte mehr bezahlen.

Nach dem 11. September ist die Sicherheit von Atomkraftwerken wieder zum Thema geworden. Was ist eigentlich aus dem Gutachten geworden, das Sie bei der Gesellschaft für Reaktorsicherheit in Auftrag gegeben haben?

Wir haben das Gutachten bei der Genehmigung neuer atomtechnischer Anlagen berücksichtigt. Das gilt vor allem für die Zwischenlager in Lingen und Grohnde.

Und was ist mit den bestehenden Anlagen?

Darüber sprechen wir mit den Betreibern und den Ländern. Vor wenigen Tagen haben uns die Betreiber informiert, wie sie die Sicherheit bestehender Anlagen verbessern wollen. Als nächstes werden wir mit der jeweiligen Atomaufsicht der Länder das weitere Vorgehen beraten. Der Maßstab muss sein, dass selbst im Fall eines Attentats eine katastrophale Freisetzung von Radioaktivität verhindert werden muss. Das kann man nicht als Teil des Restrisikos abtun.

Das Interview führten Dagmar Dehmer und Cordula Eubel.

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