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Politik: „Ich glaube nicht an eine dauerhafte Waffenruhe“ Israels Ex-Botschafter Stein über die Gespräche

Herr Stein, erst ein Attentat in Tel Aviv, dann eine Waffenruhe. Wie passt das zusammen?

Herr Stein, erst ein Attentat in Tel Aviv, dann eine Waffenruhe. Wie passt das zusammen?

Sie suchen nach Logik in einer Region, in der nicht alles mit Logik erklärt werden kann.So bedauerlich der Anschlag ist – die Waffenruhe hat einfach eine hohe Priorität.

Woran liegt es, dass sich Gespräche über eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas prinzipiell so schwierig gestalten?

Ich kenne nicht die Details. Aber wenn ich mir anschaue, welche militärischen Ziele Verteidigungsminister Barak benannt hat, dann kann ich mir schon vorstellen, dass die Verhandlungen problematisch sind. Zum einen geht es darum, den Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen deutlich zu begrenzen, also die Bevölkerung zu schützen. Zum anderen soll sichergestellt werden, dass die Islamisten vor künftigen Angriffen zurückschrecken.

Die Hürden für eine Einigung waren also sehr hoch?

Ich mache mir keine großen Illusionen über die Haltbarkeit von Abmachungen und Verträgen. Schon eine provisorische Übereinkunft wäre ein Erfolg. Denn die ist nur möglich, wenn auf eine Leistung eine Gegenleistung folgt.

Zum Beispiel?

Die islamistischen Splittergruppen im Gazastreifen müssten dazu gebracht werden, ihr Feuer tatsächlich einzustellen. Außerdem ist es unumgänglich, den Waffennachschub für die Hamas zu unterbinden. Das bedeutet nicht zuletzt, den Iran davon abzuhalten, weiter Raketen und Ähnliches zu liefern. Würde Ägypten all das garantieren können, wäre Israel sicherlich zu Gegenleistungen bereit. Aber selbst wenn das gelingen sollte, könnte das nur ein erster provisorischer Schritt sein. Israel hat bereits nach dem Gazakrieg vor vier Jahren gesehen, dass die unter Kairos Vermittlung zustande gekommenen Vereinbarungen nicht eingehalten wurden. Nur so viel zur Verlässlichkeit von Abkommen und Verträgen.

Das klingt sehr skeptisch.

Ich bin Realist. Wir Israelis konnten uns nach der Operation „Gegossenes Blei“ 2008/2009 rund zwei Jahre lang über relative Ruhe freuen. Aber damals war das militärische Vorgehen im Vergleich zu den aktuellen Aktionen wesentlich umfassender. Heißt das heute, für Israel springen nur zwei Monate Ruhe dabei heraus? Und was sollen wir machen, wenn zum Beispiel der Islamische Dschihad trotz der Waffenpause den Raketenbeschuss fortsetzt? An eine Waffenruhe, die womöglich sogar einige Jahre hält, glaube ich nicht. Das halte ich für Träumerei.

Ägypten versucht sich als Vermittler im Nahostkonflikt zu profilieren. Kommt Kairo als „ehrlicher Makler“ infrage?

Ägypten steckt in einem Dilemma. Einerseits hat die Regierung klipp und klar erklärt, man unterstütze die Hamas und verdamme Israels Aktionen. Also liegen beide auf einer ideologischen Wellenlänge. Andererseits hat Präsident Mohammed Mursi kein Interesse daran, dass die Lage militärisch eskaliert und Israel eine Bodenoffensive beginnt. Deshalb bemüht er sich, mäßigend auf die Hamas einzuwirken.

Mursi, ein Politik-Pragmatiker?

Lassen wir die islamistische Ideologie mal beiseite. Die Muslimbrüder sind heute an der Macht, und sie brauchen Erfolge. Und zwar auf dem Feld der Innenpolitik. Da kommt ein Konflikt wie der im Gazastreifen ziemlich ungelegen. Der könnte nämlich dazu führen, dass die Lage innerhalb Ägyptens instabil wird. Weil die Menschen auf der Straße bei einer Eskalation des Konfliktes erheblichen Druck auf Mursi ausüben würden.

Muss man nicht gerade deshalb vielmehr auf den Einfluss der USA setzen?

US-Präsident Obama weiß genau, dass im Nahen Osten kein Ruhm zu gewinnen ist. Für Amerika geht es derzeit nur darum, die Krise irgendwie einzudämmen, eine Eskalation zu verhindern. Der Einfluss der Vereinigten Staaten reicht aber für eine Dauerlösung nicht mehr aus.

Und was ist mit Deutschland? Hat Berlins Stimme in der Krisenregion noch Gewicht?

Ich glaube, Außenminister Westerwelle hat in begrüßenswerter Klarheit darauf hingewiesen, wer für die gegenwärtigen Kämpfe verantwortlich ist: die Hamas.

Bei den Palästinensern kam diese Aussage schlecht an. Sie werfen der Bundesregierung Parteinahme vor.

Wie kann man bei der Faktenlage anders reagieren? Ich kann nur sagen, dass Westerwelle sehr bescheiden aufgetreten ist und realistischerweise vor zu großen Erwartungen gewarnt hat. Und er hat zu Recht betont, dass Deutschland kein Vermittler sein kann. Die Möglichkeiten sind wirklich sehr begrenzt.

Shimon Stein war bis 2007 Israels Botschafter in Berlin und ist Senior Fellow am Institut für Sicherheit und strategische Studien der Universität Tel Aviv. Mit ihm sprach Christian Böhme.

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