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Politik: „Ich habe eine Portion Härte gewonnen“

FDP-Chef Guido Westerwelle über die Folgen der Parteikrise und seine Hoffnung auf vorzeitige Neuwahlen

Es ist ruhig geworden um die FDP – keine Aufregung, keine Schlagzeilen, nichts. Das kann Ihnen doch eigentlich nicht recht sein.

Manche Schlagzeilen sind Totschlagzeilen. Ein paar Totschlagzeilen weniger im letzten Jahr, und wir hätten einen Regierungswechsel geschafft. Die FDP hat sich nach der Bundestagswahl erst in Turbulenzen, dann in einem Klärungsprozess befunden. Seit Anfang des Jahres haben wir aber solide nachgearbeitet, die Wahlen gewonnen – und die Themen der Zeit bewegen sich in Richtung FDP. Wir werden uns schon bemerkbar machen.

„Solide“ – das klingt ja vornehm bescheiden im Vergleich zu den letzten beiden Jahren. Zurückhaltung, der neue Trend?

Sie sollten die FDP und ihren Vorsitzenden nicht unterschätzen. Wir haben uns nicht vom Ziel verabschiedet, in die erste Liga aufzusteigen. Das ist beim ersten Mal nicht gelungen – durch Pech, durch eigene Fehler, auch durch Lug und Trug der Regierung. Unsere Wahlergebnisse in diesem Jahr waren aber mehr als solide. So soll es weitergehen.

Zur ersten Liga gehört Regieren im Bund. Wann sind Sie denn wieder so weit?

Spätestens 2006, wenn’s nach mir geht auch früher, durch Neuwahlen. Und ich glaube, wenn’s nach Deutschland geht auch.

Vor sich haben Sie einen Parteitag. Zuletzt waren FDPParteitage voller Euphorie. Die ist doch aber erst mal dahin . . .

Dass wir im letzten halben Jahr durch sehr schwierige Zeiten gegangen sind, das braucht man nicht zu verschweigen. Aber wir sind wieder da. Ich bin es auch.

Apropos Schweigen: Sie haben bisher alle Fragen nach Möllemann mit der Formel erledigt, alles sei gesagt. Aber schulden Sie nicht der Partei doch noch einmal Rechenschaft?

Dass ich in meiner Rede auch die schwierigen Punkte nicht aussparen werde, versteht sich von selbst. Dennoch, das Kapitel ist abgeschlossen. Ich fahre zu dem Parteitag nicht ohne Selbstkritik, aber auch mit einer ordentlichen Portion Selbstbewusstsein.

Was denn, kein Wort über eigene Fehler?

Wer sagt denn, dass ich das nicht tun werde? Ich will es aber den Delegierten persönlich sagen und nicht per Interview.

Der Name „Möllemann“ wird fallen?

Ach wissen Sie, inzwischen rede ich darüber wieder sehr locker. Das ist im Grunde ein mittleres Wunder, wenn ich überlege, was wir da politisch und menschlich mitgemacht haben. Das sieht im Nachhinein immer sehr lässig aus. Ich möchten Ihnen aber nicht wünschen, durch so etwas mal durchgehen zu müssen: durch die politischen Enttäuschungen, den charakterlichen Verrat. Plötzlich hebt jeder Depp sein Bein an Ihnen. Es sortiert sich in einer solchen Krise auch, auf wen Sie wirklich zählen können und wer abwartet, wie es denn wohl ausgehen wird.

Sie hatten sich den Parteivorsitz ein bisschen einfacher vorgestellt?

Dass das ein verantwortungsvolles Amt ist, wusste ich. Wie hoch die Verantwortung wirklich ist, wenn man seine Partei durch einen Wirbelsturm führen muss, habe ich nicht geahnt. In solchen Situationen gewinnt man eine Portion Härte.

Letzte Möllemann-Frage: Warum heißt es eigentlich immer noch „Projekt 18“?

Ob wir das Projekt 18 nennen oder 12 oder 20, das entscheiden wir vor der nächsten Bundestagswahl. Die 18 war das Wahlziel 2002. Das haben wir nicht erreicht. Aber ehrgeizige Ziele stecken wir uns weiterhin. Und die drei Kernpunkte gelten weiter: Die FDP ist eine Partei für das ganze Volk, die FDP ist eine eigenständige Partei, und wir müssen vor allem junge Menschen wieder mehr für Politik gewinnen. Für diese Punkte habe ich gestanden, und dafür stehe ich – auch persönlich.

Dann rufen Sie doch gleich das Projekt 100 aus – Ihre Reformideen sind ja in aller Munde. Geht Ihnen da nicht Ihr Thema verloren?

Im Gegenteil. Wir erzeugen aus der Opposition heraus einen Meinungsdruck, der es den anderen Parteien unmöglich macht, sich unseren Themen und unseren Antworten zu entziehen. Das sehe ich nicht mit Futterneid, sondern mit großer Freude. Die anderen Parteien müssen – immer noch viel zu zögerlich – zugeben, dass sie sich geirrt haben und dass unsere Politik der marktwirtschaftlichen Erneuerung richtig ist.

Dass beim Stichwort „Steuersenkung“ im Moment keiner an die FDP denkt, sondern an die Gewerkschaften und Oskar Lafontaine, die ein Vorziehen der Steuerreform fordern - das macht Ihnen keine Sorge?

Die Gewerkschaftsfunktionäre und die Lafontaines werden uns gewiss nicht die Butter vom Brot nehmen.

Die Lage ist ernst, die Stimmung schlecht. Ist die FDP eine zuversichtliche Partei?

Die Lage ist noch viel schlechter als die Stimmung. Wir befinden uns nicht in einer konjunkturellen Krise, wie es ja viele immer noch hoffen, sondern wir stecken in einer fundamentalen Strukturkrise. Die ist durch Versäumnisse über Jahrzehnte entstanden, aber die letzten fünf Jahre Rot-Grün haben das Fass zum Überlaufen gebracht.

Und wo soll da Hoffnung herkommen?

Die Menschen sind weiter als die Politik. Deshalb bin ich optimistisch. Die Menschen sind für ein großes Reformprogramm bereit. So sehr sie Veränderungen im Einzelfall kritisch sehen, so sehr wissen sie doch, wie notwendig ein Umbau an Haupt und Gliedern für dieses Land ist.

Vor der letzten Bundestagswahl schien es eine plausible Möglichkeit, dass die FDP zusammen mit der SPD regiert. Können Sie sich heute noch vorstellen, 2006 mit Gerhard Schröder eine Regierung zu bilden?

Gegenfrage: Können Sie sich allen Ernstes vorstellen, dass die FDP mit einer Regierung, die Deutschland bei den Arbeitslosenzahlen, bei den Staatsfinanzen und bei der Wirtschaftsentwicklung auf den Stand zur Zeit der deutschen Einheit zurückgeworfen hat – dass wir mit einer solchen Regierung über das hinaus, was im unmittelbaren Interesse des Landes liegt, strategisch zusammenarbeiten könnten? Ich mir jedenfalls derzeit nicht.

Das Gespräch führten Robert Birnbaum, Ingrid Müller und Robert von Rimscha.

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